Wie sollen wir beten 1

Wie sollen wir beten? 6 unverzichtbare Prinzipien für dein Gebetsleben

In den letzten beiden Artikeln dieser Reihe über das Gebet haben wir uns zunächst mit den Fragen beschäftigt, warum wir überhaupt beten müssen (Teil 1) und warum uns das Gebet oft so schwer fällt (Teil 2). Wenn du diese beiden Artikel gelesen hast und nun diese Zeilen liest, bist du vermutlich von der Bedeutung des Gebets überzeugt. Du kennst die Hindernisse, die dich vom Beten abhalten oder es dir zumindest schwer machen, aber du willst nicht dabei stehen bleiben, sondern an deinem Gebetsleben arbeiten.

Jetzt stellt sich die große Frage: Wie machst du das?

Was können wir konkret tun, um beten zu lernen und es mehr und mehr zu einem selbstverständlichen Aspekt unseres täglichen Glaubenlebens zu machen? Genau darum geht es in diesem Artikel. Nun möchte ich mit dir den „Rahmen“ für das Gebet abstecken, soweit die Bibel ihn uns vorgibt. Das ist sozusagen der praktische Teil. Im nächsten Blogartikel wird es um den Inhalt unserer Gebete gehen, um die Frage: Was soll ich beten?

Doch zunächst wollen wir uns einige wichtige Punkte ansehen, die uns helfen, ein tiefes Gebetsleben zu entwickeln. Im Folgenden zeige ich dir 6 einzelne Merkmale, die dir dabei helfen sollen, ein tiefgehendes Gebetsleben zu starten.

Jesu Anleitung zum Beten

Es gibt wohl in der ganzen Bibel keinen besseren Ausgangstext über die richtige Praxis des Gebets als die Worte Jesu aus Matthäus 6,5-8. Dieser Abschnitt ist Teil der Bergpredigt, die Jesus an die Menschen richtete, die ihm nachfolgten (vgl. Mt 5,1). In Matthäus 6,5ff. will Jesus seinen Jünger verständlich machen, was sie in Bezug auf das Gebet beachten sollen. Nach einigen Anweisungen folgt das Vaterunser.

In einer Parallelstelle zum Vaterunser bei Lukas lesen wir, dass die Jünger zu Jesus kamen und ihn baten: „Herr, lehre uns beten“ (vgl. Lukas 11,1-4). Einige Ausleger weisen uns darauf hin, dass dies die einzige Bitte der Jünger an Jesus war, eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen. Jedenfalls lesen wir nirgendwo, dass die Jünger ihn um eine Lektion im Predigen, im Austreiben von Dämonen oder in der Wunderheilung baten; aber sie wollten wissen, wie das Beten „funktioniert“. Das zeigt uns schon, wie wichtig das Gebet eigentlich ist.

Hören wir also auf die Worte Jesu über das richtige Gebet:

„Hütet euch, eure Frömmigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen! Sonst habt ihr von eurem Vater im Himmel keinen Lohn mehr zu erwarten. […] Und wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler, die sich beim Beten gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, um von den Leuten gesehen zu werden. Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten. Wenn du beten willst, geh in dein Zimmer, schließ die Tür und dann bete zu deinem Vater, der auch im Verborgenen gegenwärtig ist; und dein Vater, der auch im Verborgenen sieht, wird dich belohnen. Beim Beten sollt ihr nicht leere Worte aneinander reihen wie die Heiden, die Gott nicht kennen. Sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie, denn euer Vater weiß, was ihr braucht, und zwar schon bevor ihr ihn darum bittet“ (Mt 6,1-8).

Drei Dinge gilt es in diesem Text zu beachten:

1. Überprüfe deine Motive

Zunächst gibt Jesus eine Warnung, die nicht nur für das Gebet, sondern auch für das Almosengeben und Fasten gilt: Es geht um unser Motiv – aus welchem Grund beten wir? Jesus spricht sich hier nicht grundsätzlich gegen das öffentliche Gebet aus. Wenn wir beten, sollen wir uns nicht zur Schau stellen, es soll nicht darum gehen, besonders fromm zu erscheinen. Es kann durchaus vorkommen, dass Menschen, die uns beten hören, uns für besonders fromm halten. Das muss an sich kein Problem sein, denn andere Beter können uns ein Beispiel und eine Ermutigung sein, wenn wir sie beten hören.

Überprüfe also zunächst deine Motive. Willst du ein eifrigerer Beter sein, damit die Leute dich dafür bewundern, oder weil es dir wirklich wichtig ist, die Gemeinschaft mit Gott zu vertiefen?

2. Suche dir einen ruhigen Ort zum Beten

Um dieser frommen Zurschaustellung entgegenzuwirken, sagt uns Jesus, dass wir in unser „Gebetskämmerchen“ gehen sollen, um allein mit Gott zu sprechen. Es geht darum, dass wir einen ruhigen Ort brauchen, an dem wir uns auf Gott konzentrieren können, an dem wir zumindest für ein paar Minuten ungestört sein können.

Das muss nicht unbedingt ein Zimmer sein. Vielleicht macht deine Wohn- und/oder Familiensituation es dir fast unmöglich, in den eigenen vier Wänden zur Ruhe zu kommen oder dich zurückzuziehen. Vielleicht kannst du auch besser beten, wenn du irgendwo alleine spazieren gehst oder wenn du alleine für dich im Auto sitzt und zur Arbeit fährst.

Das Gute daran ist, dass der Ort letztlich keine Rolle spielt. Wir können von überall aus beten. Wichtig ist, dass man einen Ort findet, an dem man zur Ruhe kommt und sich dem Gebet widmen kann.

3. Sei du selbst im Gebet

Als Nächstes sagt Jesus, wir sollen nicht „leere Worte aneinanderreihen wie die Heiden, die Gott nicht kennen“. Jesus sprach diese Worte zu seiner jüdischen Zuhörerschaft, und offenbar waren die Heiden (die Nicht-Juden) dafür bekannt, lange Gebete ohne Inhalt zu sprechen. Unser Kontext scheint mir jedoch ein anderer zu sein. Die meisten Heiden, die ich kenne (also Menschen, die keine Juden sind), beten eher wenig oder gar nicht – zumindest diejenigen, die Gott nicht kennen.

Ich glaube eher, dass wir Christen heute in der Gefahr stehen, lange und inhaltslose Worte zu sprechen. Nun, vielleicht sind sie nicht unbedingt inhaltslos, aber lang. Der Punkt ist, dass wir als Menschen beten sollten, die Gott als ihren himmlischen Vater kennengelernt haben. Das setzt eine enge Vertrautheit voraus, die sich natürlich im Gebet niederschlägt. Eine Beziehung ist etwas Persönliches, und daher von Mensch zu Mensch verschieden. Deshalb mag dir die Art und Weise, wie andere Christen beten, fremd und unnatürlich erscheinen.

Ich habe im Laufe meines Lebens viele Christen beten hören. Und ich bin ganz ehrlich: Ich könnte nicht so beten wie sie. Ja, wir beten alle zu demselben Gott und Vater und sind auf derselben Grundlage gerettet, und doch steht jeder von uns allein vor Gott und spricht ihn mit unterschiedlichen Worten an. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte mit Gott, und das sollte sich auch in unseren Gebeten widerspiegeln.

Bete also so, wie du jetzt vor Gott stehst. Natürlich können wir von anderen Christen lernen, aber wir sollten sie nicht kopieren. Ich denke, wir können schnell an den Punkt gelangen, an dem wir tatsächlich leere Worte aneinanderreihen, wenn wir fromme Phrasen wiederholen, die wir von anderen gehört haben, die uns aber wenig sagen, oder wir sind uns nicht einmal bewusst, was wir eigentlich beten.

Sei du selbst im Gebet! Sei dir bewusst, mit wem du es zu tun hast – mit Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Sei deshalb nicht respektlos, aber glaube nicht, dass Gott beeindruckt sein wird, wenn du möglichst viele fromme Worte oder besonders schön formulierte Sätze verwendest, die nur ein Absolvent einer theologischen Schule verstehen würde.

Jesus weist auch darauf hin, dass Gott nicht von der Länge unserer Gebete beeindruckt ist. Natürlich ist es beeindruckend, wenn wir von Gläubigen lesen, die ganze Nächte gebetet haben. Aber du und ich haben vielleicht nicht diese Ausdauer. Zumindest noch nicht.

Gerade wenn uns das Beten schwerfällt, sollten wir bedenken, dass kurze Gebete völlig in Ordnung sind. Die Länge unserer Gebete hat nichts mit ihrer Qualität zu tun. Es ist besser, fünf Minuten lang zu beten und dabei authentisch und konzentriert zu sein, als eine halbe Stunde lang zwanghaft zu beten und anschließend frustriert zu sein.

Betrachte das Gebet also als ein persönliches Gespräch zwischen dir und deinem himmlischen Vater, indem du in deiner Anbetung, Danksagung, Bitte und deinem Sündenbekenntnis ganz du selbst sein darfst.

Diese drei Punkte stecken die Rahmenbedingungen ab, die Jesus für wichtig hielt. Darüber hinaus gibt es einen weiteren Schwerpunkt, den die Bibel auf das Gebet legt – den Aspekt der Regelmäßigkeit.

Mache das Gebet zu einem festen Bestandteil deines Alltags

Im Grunde lehrt die Bibel, dass wir ständig in einer Art Gebetshaltung leben sollten. In Psalm 1,2 heißt es über den frommen Menschen, dass er glücklich zu nennen ist, wenn er Tag und Nacht über Gottes Wort (betend) nachsinnt. In Lukas 18,1 lesen wir: „Jesus wollte seinen Jüngern zeigen, dass sie unablässig beten sollten, ohne sich entmutigen zu lassen.“ Paulus drückt es in 1. Thessalonicher 5,17 kurz und bündig aus: „Betet ohne Unterlass!“

Wir sollen uns ständig der Gegenwart Gottes bewusst sein, und doch brauchen wir auch besondere Zeiten, die wir dem Gebet widmen. In der Bibel finden wir verschiedene Beispiele für Gläubige, die zu regelmäßigen Zeiten beten.

  • „Am Abend, am Morgen und am Mittag klage und stöhne ich – so lange, bis Gott meine Stimme hört“ (Ps 55,18).
  • „Er [Daniel] hatte aber in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem hin; und dreimal am Tag kniete er auf seine Knie nieder, betete und pries vor seinem Gott, wie er es auch vorher getan hatte“ (Dan 6,11).
  • „Um die Mittagszeit des folgenden Tages … stieg Petrus zum Beten auf das flache Dach des Hauses, in dem er zu Gast war“ (Apg 10,9).

Nun gut, es wird nicht ausdrücklich gesagt, dass Petrus regelmäßig um die Mittagszeit betete, aber es wäre zumindest denkbar, dass er diese Tageszeit bewusst zum Beten nutzte.

Feste, regelmäßige Gebetszeiten können uns dabei helfen, das Gebet zu einem festen Bestandteil unseres Alltags zu machen – vor allem dann, wenn es uns schwer fällt, zu beten. Wenn du also noch nicht regelmäßig betest, wenn du noch keine feste Gebetszeit in deinem Alltag integriert hast, dann sollten du jetzt damit beginnen.

Hier sind drei weitere Prinzipien, die mir persönlich geholfen haben.

4. Lege einen festen Zeitpunkt am Tag fest

Obwohl wir natürlich jederzeit beten können, ist es enorm hilfreich, das Gebet als etwas so Wichtiges zu betrachten, dass es einen eigenen Eintrag im Kalender bekommt. Überlege dir deshalb, zu welcher Tageszeit du dir bewusst Zeit für das Gebet nehmen kannst.

Für mich ist das früh am Morgen, gleich nachdem ich aufgestanden bin und meine Frau und meine Kinder noch schlafen (jedenfalls meistens). Das ist der Moment, in dem ich die meiste äußere und innere Ruhe habe, weil mein Gehirn noch nicht mit den Ereignissen des Tages beschäftigt ist.

Vielleicht ist der Vormittag für dich unpraktisch? Dann versuche, dir mittags ein paar Minuten für das Gebet freizuhalten. Vielleicht ziehst du es vor, abends zu beten, weil du dann die meiste Ruhe hast. Das ist völlig in Ordnung. Das Wichtigste ist, dass wir überhaupt beten.

In seinem Buch Beten empfiehlt Tim Keller, sowohl morgens als auch abends eine Gebetszeit einzuplanen, um den Tag bewusst mit Gott zu beginnen und zu beenden. Ich habe seinen Ratschlag ausprobiert und muss sagen, dass zwei (kurze) Gebetszeiten pro Tag einen großen Unterschied machen können. Meiner Erfahrung nach gewöhnt man sich durch zwei Einheiten pro Tag schneller an das regelmäßige Beten, als wenn man nur einmal am Tag betet. Daher empfehle ich dir, dem Morgen- und Abendgebet eine Chance zu geben.

5. Stecke dir einen realistischen Zeitrahmen und stelle dir (zur Not) einen Wecker

Wenn man eine neue Gewohnheit beginnt, ist es immer hilfreich, die Hürden so niedrig wie möglich zu halten. Das bedeutet zum einen, sich realistische Ziele zu setzen, die uns nicht überfordern.

Wenn es dir grundsätzlich schwer fällt, dich zu konzentrieren, und du wenig Übung im Gebet hast, dann wird dich der Vorsatz, von nun an täglich eine Stunde zu beten, wahrscheinlich überfordern. Es mag dein Ziel sein, das du anstrebst, aber der Weg dorthin muss gut geplant sein.

Wenn du sozusagen bei Null anfängst, würde ich Folgendes vorschlagen: Nimm dir bewusst 15 Minuten am Tag für das Gebet. Teile diese 15 Minuten wie folgt auf:

  • 5 Minuten einen Bibeltext lesen
  • 5 Minuten darüber nachdenken
  • 5 Minuten beten

Wie ich schon sagte, soll dies dir den Einstieg erleichtern, wenn du Schwierigkeiten hast, die Bibel mit Gewinn zu lesen und zu beten. Es gibt immer Raum für Verbesserungen, aber fang damit an. 15 Minuten mögen dir nicht viel erscheinen, und ich höre schon die Einwände: Das ist es doch nicht wert!

Stimmt nicht.

Ich bin fest davon überzeugt, dass 15 Minuten, die man in Gottes Wort und Gebet investiert, gut investierte Zeit sind. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich dir sagen, dass sich daraus eine Gewohnheit entwickelt, die bald Lust auf mehr macht. Am Anfang mögen die 5 Minuten Gebet eine Herausforderung sein, aber mit der Zeit wird das Beten für dich ganz natürlich werden.

Scheue dich auch nicht, technische Hilfsmittel zu nutzen, wenn sie dir helfen, ein Gebetsleben zu entwickeln. Mir persönlich hilft es zum Beispiel, einen Wecker auf meinem Smartphone zu stellen. Das hilft mir, weil ich dann nicht ständig auf die Uhr schauen muss. Ich schalte den Wecker ein und kann mich ganz auf das Gebet konzentrieren und beten, bis der Wecker klingelt. Natürlich muss ich nicht sofort „Amen“ sagen und aufhören zu beten, wenn ich noch mehr Zeit zum Beten hätte. Aber es ist eine kleine digitale Unterstützung, die mir hilft, mehr Tiefe in meinem geistlichen Leben zu erreichen.

Vielleicht findest du es auch hilfreich, eine Gebets-App wie zum Beispiel Echo Prayer [Appstore und Googlestore] auf deinem Smartphone zu verwenden, die dich an deine Gebetszeiten erinnert und dir hilft, Gebetsanliegen aufzuzeichnen und zu verfolgen. Solange diese digitalen Hilfsmittel dich nicht vom Gebet ablenken, kannst du sie gerne nutzen.

6. Betrachte das Gebet als ein lebenslanges Projekt

Abschließend möchte ich dich daran erinnern, dass das Gebet nicht einfach ist, aber dass es sich lohnt, es für den Rest deines Lebens zu pflegen. Tiefe und Beharrlichkeit kommen mit der Zeit.

Lass dich also nicht entmutigen, wenn es am Anfang nur langsam vorangeht und es dir schwer fällt, zum Beispiel auch nur 15 Minuten Andacht pro Tag zu halten. Gib nicht auf! Mach weiter. Bete weiter. Denke daran, dass selbst reife Christen wie Timothy Keller zwei Jahre des täglichen Gebets brauchten, bevor der „geistliche Durchbruch“ kam!

Ich gehe davon aus, dass es keinen Christen gibt, der nicht irgendwann einmal mit dem Gebet ringt. Aber es ist nicht nur ein Kampf. Wenn du dranbleibst, wirst du mit der Zeit auch erleben, wie sich die Gemeinschaft mit Gott vertieft, der Heilige Geist an dir wirkt und dein Glaube gestärkt wird.

Jetzt bleibt nur noch eine letzte Frage: Was oder wofür sollen wir beten? Diese Dinge werden wir im letzten Artikel dieser kurzen Serie betrachten.

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