Wahre Dankbarkeit

Wahre Dankbarkeit

Es war ein hartes Jahr. Eine Freundin hatte mit schweren sexuellen Übergriffen zu kämpfen; Mein Schwiegervater lagmit neunzig Jahren auf der anderen Seite des Atlantiks in einem Hospiz, wo er langsam an Krebs starb. Einige Monate zuvor dachte ich, ich hätte meinen achtzig Jahre alten Vater umgebracht, als ich versehentlich mit meinem Auto über sein Bein gefahren war. Drei Männer in meinem erweiterten Bekanntenkreis hatten Selbstmord begangen. Zusätzlich gab es noch ungewöhnlich viele kleinere Stresssituationen und Enttäuschungen.

Und dann wurde ich gebeten, einen Artikel über 1. Thessalonicher 5,18 zu schreiben: „Sagt in allem Dank!“ Der Herr wusste, dass ich diese Aufforderung brauchte. Nun musste ich herausfinden, was der Vers bedeutet und wie ich ihn umsetzen kann.

Falsche Dankbarkeit

Ich weiß, dass wir Gott nicht für alle Umstände danken sollen. Ich erinnere mich, dass ein Prediger behauptete, als er über 1. Thessalonicher 5,18 sprach, und das kurz nachdem ein Mitglied aus der Gemeinde seinen Sohn an Krebs verloren hatte. Innerlich und beinahe auch hörbar, schrie ich: „Nein!“ Gott erwartet nicht von uns, dass wir ihm für solche schrecklichen Dinge danken. Das ist eine Belastung für das Gewissen der Menschen, die zu schwer zu tragen ist. Es mag vielleicht superfromm klingen, aber es ist weder biblisch noch realistisch.

Ich weiß auch, dass Gott nicht meint, wir sollten ihm für all das Gute danken und die schlechten Dinge dabei ignorieren. „Wohlstandsprediger“ sagen Dinge wie: „Konzentriere dich auf das Positive; denk nicht über das Negative nach.“ Aber die Psalmen liefern uns mehrere Beispiele von Gläubigen, die anbetend ihre Klage vor Gott brachten. Selbst Jesus trauerte vor seinem Leiden und beweinte das Schicksal seines Volkes (vgl. Lk 19,41-44; 22,41-42; Joh 11,35). Schmerz zu leugnen oder zu ignorieren ist unrealistisch und unbiblisch.

„In allem dankbar sein“ bedeutet auch nicht, dass wir trotz unserer Umstände danken sollen. Die Vorstellung, die Zähne zusammenzubeißen und ein paar Worte des Dankes herauszupressen, egal was wir denken oder fühlen, ist altmodischer Stoizismus in christlichem Gewand. Es ist eine sinn- und wertlose, roboterartige Geistlichkeit, die keine vernünftige Grundlage besitzt.

Wahre Dankbarkeit

Wenn es also in 1. Thessalonicher 5,18 nicht darum geht, für alle Umstände dankbar zu sein, Umstände einfach zu ignorieren oder trotz der Umstände dankbar zu sein, was bedeutet es dann?

Der Schlüssel zum Verständnis liegt in dem kleinsten Wort des Verses. Egal in welcher Situation wir uns auch befinden, wir sollen Grund zum Danken finden. Das erlaubt uns, über Sünde und Leid zu klagen, aber es erfordert auch, dass wir gleichzeitig Gründe finden, für die wir Gott danken können, oder zumindest irgendwann. Lass mich dir einige Beispiele geben, wie ich versucht habe, wahre Dankbarkeit inmitten der oben erwähnten schwierigen Zeiten zu kultivieren.

Während ich mit meiner Bekannten über ihre schrecklichen sexuellen Erfahrungen trauere, danke ich Gott, dass er ihr die Kraft gegeben hat, ihre Erfahrung zu nutzen, um anderen Betroffenen zu helfen. Ich danke Gott für die Menschen und Organisationen, die Gott mit der Expertise gesegnet hat, um diesen Opfern zu helfen, sich von diesem Trauma zu erholen.

Während ich über das gebrochene Bein meines Vaters klage, danke ich Gott, dass meine ersten Befürchtungen sich nicht bewahrheitet hatten und er heute wieder schmerzfrei laufen kann. Ich danke Gott mehr als je zuvor für meinen Vater, insbesondere dafür, dass er so gnädig war und mir vergeben hat, während er verletzt in der Einfahrt lag.

Ich weine über den Krebs im Endstadium, an dem mein Schwiegervater leidet, aber ich danke Gott für die Pflege im Hospiz, die Schmerzmittel und für sein treues Zeugnis zu Christus, das er in über sechzig Jahren bis zum Ende bewahrt hat.

Während ich über die drei Selbstmorde weine, danke ich Gott für jeden Tag, an dem wir gesund sind und für die Hoffnung des Evangeliums, die uns in jeder Herausforderung erhält. Ich danke Gott für jedes Leben, das gerettet wurde. Auch wenn Christen an mentalen Krankheiten leiden, haben wir die Hoffnung auf eine ewige Freude und ewigen Frieden im Himmel.

Als Christ kann ich Gott danken, dass jeder Umstand schlimmer hätte sein können, dass mir alles zum Guten dienen muss und dass am Ende die Herrlichkeit auf mich wartet. Daher danke ich Gott für Jesus Christus, der die schlimmste aller Situationen durchlitten hat, sodass ich die besten Situationen für immer genießen werde.

Umkämpfte Dankbarkeit

Ich behaupte nicht, ein vollendeter dankbarer Mensch zu sein. Ich kämpfe immer noch um mehr Zufriedenheit in meinem Leben. Aber der Kampf ist der Mühe wert. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass Dankbarkeit dabei hilft, Stress, Zorn, Eifersucht, Habgier und Ängstlichkeit zu reduzieren, während sie unsere Beziehungen, Freude, unseren Schlaf und unsere allgemeine Gesundheit positiv beeinflusst. Gott ruft uns zur Dankbarkeit auf, weil es ihn ehrt und er uns dadurch aufbaut und zu ihm zieht.


© Ligonier Ministries @ Tabletalk Magazine. Die Wiedergabe erfolgte mit freundlicher Genehmigung.

Ähnliche Beiträge