Warum fällt beten so schwer
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Warum fällt es uns so schwer zu beten? 5 Hindernisse, die der Grund sind, warum du nicht betest

Warum fällt es mir so schwer zu beten?

Warum kann ich mich kaum dazu aufraffen, mich hinzusetzen und länger als ein paar Minuten zu beten?

Warum habe ich oftmals den Eindruck, dass Gebet nicht viel bringt?

Ich weiß, dass Beten wichtig ist. Ich weiß, dass ich es mir nicht leisten kann, nicht zu beten, wie ich in dem vorigen Artikel erklärt habe (Warum müssen wir beten?). Ich sollte beten, weil ich im Gebet mit meinem Schöpfer kommuniziere, und letztlich kann ich nur in der Beziehung zu ihm wirklich zur Ruhe kommen. Das Gebet ist ein wesentlicher Aspekt meines Menschseins.

Und trotzdem fällt es mir schwer zu beten.

Damit meine ich nicht das Tischgebet oder das Gebet, das ich bei der Abendandacht mit meinen Kinder spreche. Diese Gebete kommen mir relativ leicht über die Lippen. Ich muss auch zugeben, dass mir das Lesen der Bibel viel leichter fällt als das Beten. Ich genieße die Stille eines ruhigen Morgens, wenn alle anderen noch schlafen, setze mich in meinen Lieblingssessel mit einer Tasse Kaffee (sehr wichtig) und schlage meine Bibel auf. Ich könnte locker über eine Stunde so dasitzen, die Bibel lesen und mich in Gottes Wort vertiefen.

Natürlich bete ich auch am Ende der Stillen Zeit, aber oft fühlt sich das Gebet wie ein notwendiges Anhängsel an, das einfach dazugehört; und wenn ich ehrlich bin, schweifen meine oberflächlichen Gedanken dann oft ab.

Während ich mir im Laufe meines bisherigen Glaubenslebens ein recht umfangreiches Wissen über die Bibel aneignen konnte, kann ich leider nicht auf ein reiches Gebetsleben zurückblicken. Ich habe das Gebet nie ganz aufgegeben und habe tatsächlich viele Gebetserhörungen erlebt, aber es hat wenig Tiefgang.

Zugleich weiß ich, dass das Gebet viel mehr sein muss als das, was ich „erlebe“. Denn wenn ich mir vor Augen halte, dass ich mich im Gebet an den allmächtigen Gott, meinen himmlischen Vater, wende, dass ich mit ihm spreche und die Gemeinschaft mit ihm suche, dann weiß mein Verstand, dass es kaum etwas Großartigeres und Wichtigeres geben kann als das Gebet.

Und ist es nicht so, dass wir Männer und Frauen bewundern und auch beneiden, die sich durch ein intensives Gebetsleben auszeichnen? Ich spreche hier von Christen, für die das Beten so natürlich erscheint wie das Atmen.

Welcher Christ lässt sich zum Beispiel nicht von einem George Müller inspirieren, der für sein lebendiges Gebetsleben bekannt war und das Wirken Gottes in seinem Leben so intensiv erlebt hat? Oder ich denke an den Missionar und Afrikaforscher David Livingstone, einen Abenteurer vor dem Herrn, der am Ende seines Lebens in einer ärmlichen Hütte gefunden wurde und kniend an seinem Bett im Gebet starb.

In meiner Zeit als Pastor waren es immer die älteren Geschwister in der Gemeinde, deren gefestigter Glaube mich am meisten beeindruckte. Sie strahlten eine innere Ruhe und ein Gottvertrauen aus, das man nicht oft erlebt. Sie kannten ihre Bibel und vor allem beteten sie viel.

Ich behaupte daher, dass es uns nicht an Vorbildern mangelt. Sowohl in der Bibel und in der Kirchengeschichte als auch in unserer Zeit finden wir Menschen, die wir als Beterinnen und Beter bezeichnen können.

Nun kann es sein, dass wir diese Brüder und Schwestern im Glauben um ihr reiches Gebetsleben beneiden, und sofort kommt in uns der Gedanke auf: Niemals werde ich dieses Niveau im Gebet erreichen!

Ich kenne diesen Gedanken gut, aber lass mich dir sagen, dass er einfach nicht wahr ist! Natürlich ist jeder Christ in gewisser Weise einzigartig, denn unsere Persönlichkeiten, Umstände und Berufungen unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Aber wenn es um das Gebet geht, haben wir alle die gleichen Voraussetzungen.

Du glaubst mir nicht?

Hier sind zwei Bibelstellen, um diese Aussage zu untermauern.

Elia, war ein Mensch wie wir

Der Prophet Elia aus dem Alten Testament war ein mächtiges Werkzeug in der Hand Gottes. Wenn wir seine Geschichte lesen, können wir schnell auf den Gedanken kommen: „Wenn ich so etwas mit Gott erleben würde, dann wäre mein Glaubensleben viel besser dran!“ Und keine Frage: Sein Dienst war beeindruckend. Aber achten wir darauf, was Jakobus im Neuen Testament über Elia schreibt:

„Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande. Elia war ein Mensch wie wir, und als er Gott im Gebet anflehte, es möge nicht regnen, fiel drei Jahre und sechs Monate lang im ganzen Land kein Regen. Danach betete er erneut, und diesmal ließ der Herr es regnen, und das Land brachte wieder seine Früchte hervor“ (Jak 5,16-18)

Elia war ein Mensch wie wir, schreibt Jakobus. Der Apostel erwartet nicht, dass unser Gebet dasselbe bewirkt wie das des Elia (ich möchte jedenfalls nicht für eine dreijährige Dürre verantwortlich gemacht werden). Aber der Punkt ist, dass Elia zwar eine besondere Berufung als Prophet hatte, aber ansonsten ein ganz normaler Mensch war. Elia und wir haben denselben Zugang zu demselben Gott. Unser Gebetsleben kann genauso intensiv sein wie das von Elia, auch wenn wir nicht die gleichen Gebetserhörungen erwarten sollten.

Uns ist alles geschenkt worden

Manche Christen glauben, dass es verschiedene Grade der Spiritualität gibt, dass es eine bestimmte „Salbung“ oder „Taufe“ mit dem Heiligen Geist gibt, die nur bestimmte Christen erfahren und andere nicht. Meiner Meinung nach wird diese Aussage jedoch nirgendwo in der Bibel gelehrt (wenn du dich für das Thema der sogenannten Geistestaufe interessierst, haben wir hier eine hilfreiche Broschüre für dich). Hören wir uns stattdessen an, was Petrus an die Christen schrieb:

„Simeon Petrus, Diener und Apostel Jesu Christi, an alle, die den gleichen kostbaren Glauben empfangen haben wie wir – einen Glauben, der uns aufgrund der Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters Jesus Christus geschenkt ist. Ich wünsche euch, dass ihr Gott und unseren Herrn Jesus immer besser kennen lernt und dadurch in immer größerem Maß Gnade und Frieden erfahrt. In seiner göttlichen Macht hat Jesus uns alles geschenkt, was zu einem Leben in der Ehrfurcht vor ihm nötig ist. Wir haben es dadurch bekommen, dass wir ihn kennen gelernt haben – ihn, der uns in seiner wunderbaren Güte zum Glauben gerufen hat“ (2Petr 1,1-3)

Was sagt Petrus, einer der zwölf Apostel, hier?

Er sagt, dass alle Christen denselben kostbaren Glauben empfangen haben! Petrus stellt sich nicht über die „gewöhnlichen“ Gläubigen, sondern stellt sich auf die gleiche Stufe mit allen Menschen, die an Jesus glauben. Sein Apostelamt ist etwas Besonderes, aber nicht sein Glaube an Jesus.

Petrus wünscht, dass der Glaube der Christen mit der Zeit wächst – aber, und das ist sehr wichtig: Jesus hat uns in seiner göttlichen Macht alles gegeben, was für ein Leben in Ehrfurcht vor ihm notwendig ist!

Wenn ich also ein Christ bin, dann bin ich auf der gleichen Basis wie ein Petrus, ein George Müller oder jeder andere Christ. In diesem Sinne gibt es keine Christen „zweiter“ Klasse. Alle Christen sind mit dem Heiligen Geist versiegelt (vgl. Eph 1,13-14) und Gott „gibt den Geist in unbegrenzter Fülle“ (Joh 3,34).

Für unser Thema bedeutet dies, dass in jedem Christen das Potenzial für ein intensives Gebetsleben vorhanden ist, das einen Elia oder George Müller auszeichnete.

Aber warum erscheint uns diese Aussicht so unmöglich? Hier sind 5 Gründe, warum es uns so schwerfällt zu beten.

1. Beten fühlt sich so unnatürlich an

Wenn man darüber nachdenkt, ist Beten eine seltsame Sache – zumindest in unserer materialistischen Kultur. Im Gebet treten wir in Kontakt mit Gott, einem Geistwesen, das wir mit unseren natürlichen Sinnen nicht wahrnehmen können. Wir wenden uns im Glauben an Gott. Wir sprechen zu ihm, ohne dass er uns akustisch antwortet. Vielleicht fällt es uns deshalb schwer, laut zu beten, zumindest wenn wir allein sind. Beten kommt uns oft vor, als würden wir mit uns selbst reden. Und jemand, der Selbstgespräche führt, kommt uns meist etwas seltsam vor. Und wir wollen nicht seltsam sein (ich will ehrlich sein: deshalb lasse ich meine Kinder immer beten, wenn wir bei Burger King sind).

Womöglich fällt uns das Beten deshalb so schwer, weil es in gewisser Weise einzigartig ist. Aber vielleicht denkst du jetzt: Auch die Anhänger anderer Religionen beten, und in manchen Fällen sogar häufiger als viele Christen. Was ich damit meine, ist, dass wir für andere religiöse Praktiken eine Entsprechung in unserem Alltag haben. Wir lesen nicht nur die Bibel, sondern auch andere Bücher. Wir singen nicht nur im Gottesdienst, sondern auch anderswo. Wir besuchen nicht nur Gottesdienste, sondern auch andere Veranstaltungen. Tja, aber wenn es ums Beten geht?

Beten ist etwas Besonderes, etwas, das unserem Alltag viel fremder ist als jeder andere Aspekt unseres Glaubens. Wenn wir beten, dann reden oder singen wir nicht über Gott, sondern mit Gott. Und wie wir alle wissen, kann es einen großen Unterschied machen, ob wir über oder mit einer Person sprechen. Beten hat etwas Intimes an sich. Das Gebet ist mit einer Aura von Heiligkeit umgeben. Deshalb fühlen wir uns manchmal unbehaglich, wenn wir zum Beten aufgefordert werden. Und andererseits sind deshalb so viele Menschen, die nicht an Gott glauben, trotzdem dankbar, wenn wir ihnen sagen, dass wir für sie beten.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum dir das Beten schwer fällt. Wenn dir das Beten unnatürlich vorkommt, dann stehe zunächst dazu und diskutiere es nicht weg. Aber höre nicht damit auf, denn wie bei so vielen anderen Dingen im Leben können wir uns an das Beten gewöhnen, so dass es uns schließlich nicht mehr unnatürlich erscheint.

2. Beten fühlt sich so sinnlos an

Beten bringt nichts! Wer hat diese Aussage nicht schon von Skeptikern gehört oder gar selbst gedacht? Dahinter steckt die Meinung: Ich habe es versucht, aber es hat sich nichts geändert.

Früher habe ich auch so gedacht, aber heute bin ich der Meinung, dass hinter dieser Denkweise eine falsche Vorstellung vom Gebet steht – und zwar in zweierlei Hinsicht.

Wir wissen nicht, was Gebet eigentlich ist

Zunächst einmal könnten viele Christen wahrscheinlich nicht genau sagen, was das Gebet im Kern ist, oder wozu es uns gegeben wurde. Viele reduzieren das Gebet darauf, Gott um verschiedene Dinge zu bitten. Und wenn Gott das Gebet nicht erhört (= die Wünsche nicht erfüllt), hat das Gebet nicht funktioniert.

Was aber ist Gebet?

An diesem Punkt hat mir Tim Keller mit seinem Buch Beten – dem heiligen Gott nahe kommen sehr geholfen.

Keller schreibt über das Wesen des Gebets:

„Beten, das ist ehrfürchtige Scheu, Zweisamkeit mit Gott, Kämpfen und Ringen – aber es ist der Weg zur Realität.“[1]

Beten ist mehr als nur die Bitte um gute Mathenoten oder eine Beförderung. Beten ist „Gespräch und Begegnung mit Gott“[2]. Daher schlussfolgert Keller:

„Wir werden niemals zu dem vollen Spektrum biblischen Betens kommen, wenn Beten für uns heißt, dass wir mit unseren inneren Bedürfnissen und unserer Charakterprägungen vor Gott treten, sondern dieses Spektrum ist nur dann möglich, wenn unser Beten ein Antworten auf Gott ist, wie er sich in der Bibel offenbart.“[3]

Keller zufolge ist das Gebet keine Einbahnstraße, sondern ein Gespräch mit Gott, bei dem wir auf das Reden Gottes in seinem Wort hören und darauf antworten. Der New City Katechismus formuliert es noch konkreter. In Frage 38 wird gefragt: Was ist das Gebet? Und die Antwort lautet:

„Beten heißt, sein Herz vor Gott auszuschütten – durch Lob, Flehen, Sündenbekenntnis und Danksagung.“

Wenn du also den Eindruck hast, dass Beten nichts bewirkt, könnte das mit deiner falschen Vorstellung vom Gebet zusammenhängen. Vielleicht hast du es nie so verwendet, wie es eigentlich verwendet werden sollte (mehr dazu in Teil IV dieser Serie). Denn, wie bereits erwähnt, gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass das Gebet „funktioniert“.

Das zweite Missverständnis über das Gebet mag einige überraschen.

Wir gehen davon aus, das Beten leicht sein muss

Genau an diesem Punkt hat mir Tim Kellers Buch Beten die Augen geöffnet. Keller kennt das Dilemma vieler Christen aus eigener Erfahrung: Man möchte so gerne beten, weiß aber nicht so recht, wie man es anstellen soll. Zunächst einmal war es für mich befreiend zu lesen, dass Keller das Beten erst in der zweiten Hälfte seines Lebens wirklich gelernt hat, und dass die große Veränderung bei ihm nicht über Nacht geschah. Er schreibt:

„Es dauerte etwas, bis diese Veränderungen Früchte trugen, aber nach vielleicht zwei Jahren erlebte ich einige geistliche Durchbrüche. Seitdem ist es mal auf, mal ab gegangen, aber alles in allem habe ich eine neue Freude in Christus gefunden.“[4]

Zwei Jahre!

Zwei. Jahre.

Das musste ich erst einmal sacken lassen. Selbst als langjähriger Christ mit viel Bibelkenntnis brauchte Keller zwei Jahre lang anhaltendes Gebet, bevor sein Gebetsleben auf einem anderen „Niveau“ war. Natürlich spricht er hier aus eigener Erfahrung, was bedeutet, dass es nicht für alle Christen so lange dauern muss; aber was für viele andere Dinge im Leben gilt, scheint auch auf das Gebet zuzutreffen – es braucht Zeit, bis sich wirklich etwas ändert.

Und genau hier lag mein Denkfehler: Ich bin davon ausgegangen, dass Beten leicht ist. Viele Christen, die von ihrem Gebetsleben enttäuscht sind, haben wahrscheinlich voller Hoffnung zu beten begonnen und dann viel zu früh aufgegeben! Aus irgendeinem Grund denken wir, dass Beten „einfach“ sein muss, und in gewisser Weise ist es das auch; ich muss nicht laut sprechen, um zu beten, ich muss keine besondere Haltung einnehmen oder besondere Vorkehrungen treffen.

Doch ungeachtet dieser Tatsache scheint ein intensives Gebetsleben, das von Freude und Frieden geprägt ist, für viele von uns in weiter Ferne zu liegen.

Es ist ein bisschen wie das Beherrschen eines Musikinstruments. Wenn wir einem geübten Spieler zuschauen, sieht es so einfach aus. Erst wenn wir es selbst versuchen, merken wir, wie schwierig es tatsächlich ist. Wir sind vielleicht in der Lage, dem Instrument Töne zu entlocken, aber das ist etwas ganz anderes als es tatsächlich zu spielen.

Und so ist es auch mit dem Beten. In mancherlei Hinsicht ist es schwierig und erfordert Übung. Keller rechtfertigt dies mit den Worten:

„Ich kenne nichts Großes, das nicht auch schwer wäre. Was bedeutet, dass Beten eines der schwersten Dinge in der Welt sein muss. […] Am Anfang dominiert meist das Gefühl der inneren Armut und der Abwesenheit Gottes, und die besten Lehrmeister des Betens fordern uns auf, in dieser Situation nicht aufzugeben, sondern durchzuhalten und unverdrossen weiterzubeten, bis wir von der Pflicht zur Freude durchbrechen.“[5]

Diese Erkenntnis hat mir bereits geholfen, denn meine Erwartung an das Gebet war falsch. Wenn ich mich jahrelang ungesund ernährt habe, kann ich nicht schon nach der ersten Woche der Ernährungsumstellung lebensverändernde Ergebnisse erwarten. Mit dem Gebet verhält es sich genauso. Wenn ich jahrelang die Bibel ausschließlich vom Verstand her gelesen habe, ohne intensiv über Gottes Wort nachzusinnen (vgl. Ps 1,2), muss ich diese „Kunst“ erst einmal üben.

Wenn du also auch mit deinem Gebetsleben zu kämpfen hast, frage dich zunächst, ob deine Vorstellung vom Gebet überhaupt richtig ist und ob du vielleicht viel zu früh aufgegeben hast?

3. Ich finde keine Zeit zum Beten

Das ist wahrscheinlich der Klassiker. Wir würden gerne beten, aber wir finden einfach keine Zeit dafür. Oder vielleicht hätten wir die Zeit, aber nicht die nötige Ruhe.

Der einzige Rat, der an dieser Stelle hilft, ist, sich bewusst Zeit für das Gebet zu nehmen. Ich erzähle dir sicher nichts Neues, wenn ich sage, dass wir Menschen oftmals Zeit für die Dinge finden, die uns wirklich wichtig sind. Wenn du den ersten Teil Warum müssen wir beten? gelesen hast, hoffe ich, dass du zu der Erkenntnis gelangt bist, dass wir es uns nicht leisten können, nicht zu beten. Hören wir uns dazu noch einmal Keller an:

„Das Gebet ist die einzige Tür zu echter Selbsterkenntnis. Es ist auch der hauptsächliche Weg zu tief greifenden Veränderungen in unserem Leben – zur Neuordnung unser Prioritäten. Durch das Gebet gibt Gott uns so viele der unvorstellbaren Schätze, die er für uns bereithält, ja das Gebet ermöglicht es ihm, viele unserer tiefsten Sehnsüchte zu erfüllen. Wenn wir beten, lernen wir Gott kennen, lernen wir es, ihn endlich als Gott zu behandeln. Das Gebet ist der Schlüssel zu allem, was wir in unserem Leben tun müssen und sein müssen. Wir müssen Beten lernen. Wir haben keine Wahl.“[6]

Keller will keinen frommen Druck erzeugen, und mein Artikel soll dir kein schlechtes Gewissen machen. Ich gehe davon aus, dass du ein echtes Anliegen hast und an deinem Gebetsleben arbeiten willst. Deshalb werde ich dir eine Strategie zeigen, die bei mir ziemlich gut funktioniert.

Wenn du wirklich nicht viel Zeit für dich selbst hast, weil dein Job oder deine Familie dich stark beanspruchen, setze dir ein realistisches Ziel, so klein es dir auch erscheinen mag. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es leicht ist, sich unrealistische Ziele zu setzen die einen nur frustrieren. Wenn du 15 Minuten pro Tag auftreiben kannst, fange dort an und teile sie wie folgt auf:

  • 5 Minuten Bibellesen
  • 5 Minuten darüber nachdenken
  • 5 Minuten beten

15 Minuten mögen dir wie ein Witz vorkommen, und in den ersten Tagen mag es sich nicht besonders erbaulich anfühlen. Aber glaube mir, 15 Minuten am Tag sind besser als gar nichts, und je länger du es durchhältst, desto größer wird der Segen sein.

Wenn selbst das eine zu große Hürde für dich ist, dann stelle dir einen Wecker und bete mindestens 2 Minuten pro Tag. Das ist immer noch besser als gar nicht zu beten.

Mit der Zeit wird das Beten zu einer Gewohnheit, die dir immer leichter fallen wird. Die Hauptsache ist, dass du überhaupt anfängst zu beten.

4. Ich kann mich beim Beten nicht konzentrieren

Ein weiterer Grund, warum uns das Beten schwer fällt, ist, dass es uns so schwer fällt, uns zu konzentrieren. Ich stelle jedenfalls oft fest, dass meine Gedanken abschweifen, wenn ich bete. Da kann es schon helfen, laut zu beten, denn dann ist man automatisch konzentrierter.

Doch mit der Konzentration verhält es sich ähnlich wie mit der falschen Vorstellung vom Gebet. Wir erwarten, dass das Gebet einfach sein sollte und dass Konzentration die normalste Sache der Welt ist. Nun, leider ist das nicht der Fall. Nicht mehr.

In seinem hilfreichen Buch Konzentriert arbeiten – Regeln für eine Welt voller Ablenkungen erklärt Cal Newport, dass es ein Irrtum ist, anzunehmen, dass wir automatisch von Ablenkung auf Konzentration umschalten können. In unserem Internetzeitalter, in dem wir ständig an unseren Smartphones kleben, überall mit Informationen überschüttet werden und davon überzeugt sind, dass wir immer erreichbar sein müssen, haben wir einfach verlernt, uns zu konzentrieren. Er schreibt:

„Die Fähigkeit, sich intensiv zu konzentrieren, ist eine Eigenschaft, die trainiert werden muss. […] Meiner Erfahrung nach wird ungestörte Konzentration im Allgemeinen als Gewohnheit betrachtet wie die Verwendung von Zahnseide – etwas, von dem man weiß, wie es geht und dass es einem guttut, das man aber aufgrund von mangelnder Motivation vernachlässigt hat. […] Doch dieses Verständnis lässt außer Acht, wie schwer es ist, sich zu fokussieren, und wie viele Stunden des Übens notwendig sind, um ihre ‚mentale Muskulatur‘ zu stärken.“ [7]

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten von uns ein grundlegendes Konzentrationsproblem haben – und das wirkt sich dann natürlich auf unser Gebetsleben aus. Hier ist leider nicht der Platz, um das Thema weiter zu vertiefen. Ich empfehle dir, das Buch von Newport zu lesen und seine Ratschläge in die Praxis umzusetzen.

Aber wenn dir das Beten schwer fällt, weil du dich nur schwer konzentrieren kannst, dann lass dich nicht entmutigen, sondern akzeptiere, dass Konzentration etwas ist, das unsere Generation weitgehend verlernt hat, aber auch wieder erlernen kann.

Falls du einen Grund brauchst, um ab und zu allein zu sein, Zeit für dich zu haben, um laut zu beten, kauf dir einen Hund und geh mit ihm spazieren. Aber halte die Augen beim Spazierengehen offen!

5. Es fällt uns schwer zu beten, weil wir uns unwürdig fühlen

Dies war einer der Hauptgründe, die mich oft vom Beten abgehalten haben. Ich weiß, dass ich beten sollte, aber ich fühle mich so unwürdig. Dafür kann es viele Gründe geben. Hier sind 4 der Hauptgründe, warum wir uns unwürdig fühlen und nicht beten wollen.

Ich habe schon so lange nicht mehr gebetet. Wie sollte ich jetzt damit anfangen?

Dahinter steckt die falsche Vorstellung, dass Gott wie eine pikierte Schwiegermutter ist, die beleidigt ist, wenn man eine Weile nicht angerufen hat, und sich das anmerken lässt, wenn man dann den Mut hat, zum Hörer zu greifen.

Aber Gott ist nicht so. In der Bibel lesen wir zwar, dass Gott kein Verständnis dafür hat, wenn wir ihn gegen Götzen eintauschen, aber auch, dass er bereitwillig und geduldig darauf wartet, dass seine Kinder zu ihm zurückkehren.

Ich habe schon wieder gesündigt. Wie sollte ich jetzt Gott unter die Augen treten?

Dahinter steckt die irrige Vorstellung, dass wir uns erst wieder bewähren müssen, bevor wir Gott unter die Augen treten. Erst wenn Gras über unsere Sünde gewachsen ist, können wir es wagen, uns Gott im Gebet zu nähern.

So falsch diese Ansicht auch ist, sie ist doch tief in uns verwurzelt. In der Tat ist sie wahrscheinlich der Hauptgrund, der mich in meinem Leben vom Beten abgehalten hat. Besonders wenn es um hartnäckige Gewohnheitssünden geht, mit denen wir lange Zeit zu kämpfen haben, können wir schnell in dieses Denken verfallen: So schmutzig kann ich unmöglich vor einen heiligen Gott treten!

Genau deshalb hat Jesus uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt (vgl. Lk 15). Wenn wir zu ihm zurückkehren, sei es zum ersten Mal bei unserer Bekehrung oder immer wieder im Laufe unseres Glaubenslebens, macht er uns keine Vorwürfe („Wo warst du so lange?“), sondern empfängt uns mit offenen Armen.

Aber auch dieser Zahn muss uns gezogen werden. Allein die Tatsache, dass wir in der Bibel einige Bußpsalmen finden, die genau für eine solche Situation geschrieben wurden, sollte uns gedanklich auf die richtige Spur bringen (vgl. Ps 38 und 51).

Egal, wie eklatant deine Sünde ist, sie sollte dich niemals vom Beten abhalten.

Ich werde nie so gut wie Bruder Peter beten können

Dahinter steckt die irrige Vorstellung, es gäbe nur eine bestimmte Art zu beten – etwa wie Bruder Peter oder Schwester Paula aus der Gemeinde. Wenn man nur lange genug in einer christlichen Gemeinde ist, findet man schnell heraus, wer die „Beter“ der Gemeinde sind. Das sind die Brüder und Schwestern, die sich bei fast jeder öffentlichen Gebetszeit zu Wort melden (das ist nicht als Kritik gemeint). Besonders wenn man neu im Glauben ist, kann man schnell von den Worten, der Wortwahl oder der äußeren Haltung im Gebet der anderen beeindruckt und eingeschüchtert werden. Diese Christen müssen keine Heuchler sein, sondern können auf ein reiches Gebetsleben zurückblicken und/oder haben einfach eine andere Ausdrucksweise und Persönlichkeit als man selbst.

Vielleicht ist dein Vokabular beim Beten nicht so bibelfest wie das deines Pastors – aber das ist in Ordnung. Gott erwartet nicht, dass wir alle die gleiche Sprache verwenden oder das gleiche Temperament haben. Und du kannst deine Liebe zu Jesus ausdrücken, ohne in deinen Gebeten aus dem Hohelied zitieren zu müssen.

Solange du dich mit der gebührenden Ehrfurcht Gott näherst, kannst du beten, wie dir der Schnabel gewachsen ist wie es dir der Geist Gottes eingibt.

Meine Anliegen sind zu unbedeutend, als dass sie ein Gebet wert wären

Dahinter verbirgt sich die falsche Vorstellung, dass es nur bestimmte Dinge gibt, die wir Gott im Gebet sagen können. Je nachdem, aus welchem Kontext man kommt, denkt man, dass es in Ordnung ist, für bestimmte Dinge zu beten und für andere nicht.

Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass es richtig ist, dafür zu beten, dass die Freude an Gott durch die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus zu den Völkern dieser Erde kommt. Das ist ein Beispiel für ein „richtiges“, ein geistliches Gebet. Es fällt uns nicht schwer, für die Weltmission zu beten oder dafür, dass Gott sein gepredigtes Wort segnet oder eine neue Generation von Predigern heranwachsen lässt.

Aber hättest du auch die Freiheit zu beten, dass Gott dir den Job als Social Media Manager gibt, für den du dich beworben hast? Glaubst du, Gott wäre genauso an dir und deinen Anliegen interessiert, wenn du im Grunde deines Herzens eine Karriere im Sport, in der Politik, in der Wirtschaft oder in der Unterhaltung anstreben würdest?

Was ich damit sagen will, ist, dass wir vielleicht Schwierigkeiten mit dem Beten haben, weil unsere Bitten uns zu trivial, zu „weltlich“ und unausgesprochen zu wenig geistlich erscheinen. Wir scheuen uns vielleicht zu beten oder wirklich ehrlich vor Gott zu sein, weil wir den Eindruck haben, dass er sich nicht für unser tägliches Leben interessiert oder dass wir nur um bestimmte Dinge bitten dürfen.

Aber es ist eine Tatsache, dass Gott diese Dinge nicht egal sind. Natürlich darf unser Gebet nicht dazu verkommen, dass es nur noch um uns und unsere irdischen Angelegenheiten geht. Aber wäre es nicht befreiend, wenn wir vor Gott ehrlich sein könnten, weil wir überzeugt sind, dass er tatsächlich an unserem Leben interessiert ist – mit all seinen Facetten?

Wenn es dir also schwer fällt zu beten, versuche Folgendes: Setz dich hin und bringe vor Gott das, was dir im Moment wirklich unter den Nägeln brennt. Ja, Gott sagt, dass für ihn alle Völker der Erde wie ein Tropfen am Eimer sind (vgl. Jes 40,15). Gott ist ewig, allmächtig, allgegenwärtig, allwissend und souverän. Und doch hat er Feldblumen, die nur eine kurze Lebensdauer haben, so schön geschaffen, weil ihm tatsächlich etwas an seiner Schöpfung liegt. Kann es also Dinge in unserem Leben geben, die Gott völlig gleichgültig wären (vgl. Mt 6,28-30)? Ich denke nicht.

Zusammenfassung und Ausblick

Wie du gesehen hast, gibt es einige Gründe, warum wir uns mit dem Gebet so schwer tun. So verständlich diese Gründe auch sein mögen, wir dürfen sie nicht als Entschuldigung für unser mangelndes Gebetsleben benutzen. Aber Veränderung beginnt oft damit, dass man sich die Hürden genau anschaut und sie im richtigen Verhältnis sieht.

Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich nicht von heute auf morgen ein intensives Gebetsleben haben werde, sondern dass es ein langsamer – aber lohnender – Prozess ist, kann ich meine Erwartungen anpassen und viel Druck von mir nehmen.

Das kann ein guter Anfang sein. Aber sicher fragst du dich jetzt, wie du konkret beten sollst? Mit dieser Frage werden wir uns im nächsten Artikel beschäftigen.


[1] Timothy Keller, Beten, S. 41.

[2] Ebd., S. 13.

[3] Ebd., S. 69.

[4] Ebd., S. 25.

[5] Ebd., S. 32-33.

[6] Ebd., S. 26.

[7] Cal Newport, Konzentriert arbeiten – Regeln für eine Welt voller Ablenkungen, Redline: München, 2020, S. 155.

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