Gottes Willen herauszufinden

Die Herausforderung, Gottes Willen herauszufinden

Was möchte Gott, dass ich tue? Hast du dir jemals diese Frage gestellt? Ich jedenfalls habe sie mir gestellt. Ich habe mich gefragt: „Will Gott, dass ich hier lebe? Will Gott, dass ich diese Person heirate? Will Gott, dass ich diesen Job annehme? Was möchte Gott von mir?“

Diese Fragen zu beantworten, kann einem wirklich Kopfschmerzen bereiten, gerade weil sie so entscheidend sind. Bei der Beantwortung wichtiger Fragen wollen wir so viel Gewissheit wie möglich haben. Warum? Weil Ungewissheit uns oftmals verunsichert. Nicht zu wissen, was wir als nächstes tun sollten, fühlt sich so an, als ob wir einen Fehler begehen. Es macht uns ängstlich. Auch wenn wir es vielleicht nicht zugeben wollen, haben wir manchmal sogar Angst, Gottes Willen zu verpassen.

Die Herausforderung, Gottes Willen herauszufinden, ist ein Ringen mit der Gewissheit. Wir möchten uns von Natur aus so sicher wie nur möglich sein, wenn es um wichtige Entscheidungen geht. Gewissheit gibt uns das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben und wenn wir alles unter Kontrolle haben, fühlen wir uns sicher.

Die falschen Motive, um Gottes Willen herauszufinden

Gewissheit bezüglich bestimmter Entscheidungen haben zu wollen ist nicht falsch. Es ist gut, wenn wir die Konsequenzen unserer Entscheidungen bedenken, uns weisen Rat einholen und darüber beten, was zu tun ist. Manchmal kann die Ungewissheit jedoch dazu führen, dass unser Herz bei der Suche nach dem Willen Gottes die falschen Motive hat.

Als Christen sind wir dazu aufgerufen, Gott zu vertrauen, dass er alles unter Kontrolle hat. Aber unser Wunsch, Gottes Willen herauszufinden, kann tatsächlich von einem tieferen Wunsch herrühren, selbst mehr unter Kontrolle zu haben. Wir möchten, dass Gott uns genau sagt, was wir zu tun haben, sodass wir im Grunde keinen Glauben mehr brauchen. Das würde unser Herz beruhigen, oder? Es ist schon seltsam, wie ein vermeintlich guter Wunsch (Gottes Willen herauszufinden) manchmal in einen schlechten verdreht werden kann (mehr Kontrolle für uns selbst zu wollen).

Das erinnert mich an die Pharisäer. Sie dachten, dass sie Gottes Willen aufs genaueste befolgten, indem sie die Minze und den Kümmel abwogen, um den Zehnten zu spenden (vgl. Lukas 11,42). Jesus sagte, dass sie Mücken aussiebten, aber Kamele verschluckten (vgl. Matthäus 23,24). Das heißt, sie versuchten die absolut kleinsten Details zu kontrollieren, während ihnen der Glaube an Gott fehlte. Jesus bezeichnete sie als getünchte Gräber (V. 27). Von außen her sahen sie beeindruckend aus, aber in ihrem Innern waren sie tot. Ihre Herzen vertrauten nicht auf Gott, obwohl sie vorgaben, Gottes Willen zu suchen.

Die Geschichte der Pharisäer sollte uns eine Warnung sein. Wir müssen darauf achten, dass scheinbar gute Wünsche nicht von sündigen Motiven herrühren. Das herauszufinden ist nicht immer einfach und es erfordert eine gewissenhafte Prüfung unseres Herzens. Lagen die Pharisäer falsch, wenn sie Gewissheit in bestimmten Dingen anstrebten? Nein, überhaupt nicht. In mancher Hinsicht haben wir Gewissheit über das, was Gott von uns möchte. Wir wissen zum Beispiel, dass er gesagt hat:

„Geschwister, ihr seid von Gott erwählt, ihr gehört zu seinem heiligen Volk, ihr seid von Gott geliebt. Darum kleidet euch nun in tiefes Mitgefühl, in Freundlichkeit, Bescheidenheit, Rücksichtnahme und Geduld.“ (Kolosser 3,12)

Wir wissen außerdem, dass er gesagt hat:

„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe; das ist mein Gebot.“ (Johannes 15,12)

„Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid!“ (Philipper 4,4)

Das sind Beispiele von Gottes Willen für uns. Und es gibt noch andere, noch konkretere Beispiele. Wenn wir zum Beispiel heiraten, dann sollen wir nur einen Christen heiraten, aber keinen Nicht-Christen (vgl. 1. Korinther 7,39; 2. Korinther 6,14). Gott fordert uns auch dazu auf, zu arbeiten (vgl. Kolosser 3,23; 1. Timotheus 5,8).

Diese und andere Stellen zeigen uns den Willen Gottes. Aber eigentlich suchen wir nach etwas noch Konkreterem, richtig? Oftmals haben wir nicht wirklich ein Problem mit Gottes moralischem Willen, das heißt, mit seinen Geboten (Theologen nennen das auch Gottes vorgeschriebenen Willen). Wir fragen uns viel eher, was wir als nächsten tun sollen bei einer Vielfalt von moralisch guten Optionen. Gottes moralischer Wille kann uns bei einigen Optionen mehr Gewissheit geben, aber engt die Wahl nicht auf eine bestimmte Entscheidung ein.

Wenn wir über bestimmte Entscheidungsmöglichkeiten sprechen, die Gott uns nicht offenbart hat, sprechen wir von seinem verborgenen Willen – jenem Willen, von dem Gott beschlossen hat, ihn uns nicht zu offenbaren. Gottes verborgener Wille ist ein Geheimnis. Es geht um alles, was er uns nicht gesagt hat, um genaue Entscheidungen (Was würde Gott an meiner Stelle tun?), um die Zukunft (Werde ich diese Person heiraten?) und so ziemlich alles andere, was Gott für sich behält (Warum wurde ich nicht im vorherigen Jahrhundert geboren?).

Die falschen Methoden, um Gottes Willen herauszufinden

Während wir Gottes verborgenen Willen herauszufinden versuchen, greifen wir oftmals auf eine Fülle von Methoden zurück. Manchmal wählen wir biblische Anordnungen, die gut sind, und verdrehen sie für unsere eigenen Zwecke. So ist es zum Beispiel gut, vor einer Entscheidung weisen Rat zu suchen (vgl. Sprüche 11,14; 15,22).

Pastoren, Familienmitglieder und Freunde betonen und bekräftigen oftmals Gottes Liebe und Führung für uns in bestimmten Situationen. Sie können uns helfen, wenn wir Entscheidungen treffen. Aber manchmal suchen wir nicht einfach nur bei einem Seelsorger Weisheit, sondern wir benutzen ihn, um den verborgenen Willen Gottes zu „finden“. Wir bewerten die Meinung unseres Pastors, als ob Gott uns durch ihn seinen direkten Willen mitteilt. Oder wir vertrauen darauf, dass ein Freund „ein Wort vom Herrn“ empfangen hat.

Das Gebet ist an und für sich eine gute Sache und wir sind aufgerufen, Weisheit zu erbitten (vgl. 1. Thessalonicher 5,17; Jakobus 1,5). Wir können – und sollten – um Führung beten. Manchmal gehen Christen aber auch zu weit. Sie bitten Gott um ein göttliches Zeichen, zum Beispiel, dass er ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Anruf schickt oder dass auf ihrem morgendlichen Weg zur Arbeit eine Plakatwand mit einer bestimmten Botschaft für sie erscheint.

Solche Praktiken werden oft mit dem aufrichtigen Wunsch durchgeführt, Gottes Willen zu erkennen und zu tun, und viele haben durchaus durch die Anwendung seltsamer Praktiken gute und richtige Entscheidungen getroffen. Unsere Entscheidung könnte zum Beispiel erfolgreich sein, wenn wir Gottes geheimen Willen erfahren, indem wir ein Plakat mit einer ungewöhnlichen Botschaft sehen. Es ist jedoch nicht biblisch, den geheimen Willen Gottes auf solch besondere Weise herausfinden zu wollen. Die Bibel lehrt uns nicht, dass wir Gottes verborgenen Willen durch Ratgeber, Frieden im Herzen, ungewöhnliche Umstände oder andere Dinge herausfinden können. Sein verborgener Wille ist seinem Wesen nach verborgen.

Heißt das, dass Gott sich von uns distanziert? Nein, denn Ungewissheit bedeutet nicht, dass Gott distanziert ist. Bedenken wir einmal, wie viel Ungewissheit und Angst die Israeliten hatten, als sie ans Rote Meer kamen und die Armee des Pharaos anrückte (vgl. 2. Mose 14,10-14). Das Volk Israel wusste nicht, was es tun sollte, aber nichtsdestotrotz war Gott bei ihnen. Er beschützte sie vor den Ägyptern und führte sein Volk sicher durch das Rote Meer.

Wir mögen uns auf ähnliche Weise in einer bestimmten Situation unsicher fühlen, aber dennoch im Vertrauen ruhen, dass Gott mit uns ist. Wir können ihm auch dann vertrauen, wenn er uns nicht exakt gesagt hat, was wir tun sollen. Er leitet unsere Schritte, während wir auf dem Weg sind.

Die Notwendigkeit des Glaubens

Ich habe viele ältere Männer und Frauen des Glaubens getroffen, die auf ihr Leben zurückgeblickt und auf eine tiefe, fast unbeschreibliche Weise gesehen haben, wie Gott sie auf ihrem Weg begleitet hat. Rückblickend sind diese Glaubensgeschwister dann erstaunt, wie Gott sie an den Punkt gebracht hat, an dem sie jetzt sind. Oftmals haben sie mir erzählt, dass sie nur sehr wenig damit zu tun hatten, aber wenn ich sie dann frage, sagen sie mir, dass sie die ganze Zeit Entscheidungen getroffen haben.

Ich frage mich, ob Abraham sich wohl so gefühlt hat, als er auf sein Leben zurückblickte. Was ich an diesen Geschichten so ermutigend finde, ist die Erinnerung, dass Gott mit uns geht, wo immer wir sind und dass er unsere Schritte lenkt – wenn auch auf mysteriöse Weise (vgl. Sprüche 16,9).

Wenn ich über diese Geschichten nachdenke, werde ich daran erinnert, wie Gott in unserem Leben wirkt. Er ruft uns auf, ihm zu vertrauen. Abraham wurde aufgefordert, zu glauben, genauso wie wir. Glaube ist Vertrauen in Gott – Gewissheit in Gott zu haben. Das war das, was den Pharisäern fehlte. Es war kein Pharisäer, sondern ein einfacher Fischer, der mit Jesus auf dem Wasser ging. Durch den Glauben wagte sich Petrus auf den See von Galiläa, wie auf festen Grund. Sein Vertrauen, obwohl unvollkommen, lag in Gott. Als er zweifelte, wandte er sich an den Herrn und schrie: „Rette mich!“ (Matthäus 14,30). Jesus beugte sich zu ihm hinab, ergriff ihn und fragte ihn: „Warum zweifelst du?“

Wenn wir jeden Zweifel und jede Unsicherheit beseitigen könnten, bestände keine Notwendigkeit mehr zu glauben. Wir wissen nicht alles, was Gott weiß, aber wir sind dazu berufen, Gott zu vertrauen, während wir ungewisse Schritte tun – wie Petrus. Wenn wir das tun, wird Gott mit uns sein. Manchmal treffen wir Entscheidungen, die von großem Erfolg gekrönt sind. Andere Male werden wir Entscheidungen treffen, die wie ein großer Fehler anmuten. Wir mögen zweifeln. Aber Gott hat eigenartige Wege, unsere Schwachheit in Stärke umzuwandeln und aus Bösem Gutes zu bewirken (vgl. 1. Mose 50,20; 2. Korinther 12,9). Und wenn wir wie Petrus ausrufen „Rette mich!“, dann ist er bereit und willig zu retten.

Thomas Brewer ist leitender Mitherausgeber des Tabletalk Magazins und lehrender Ältester in der Presbyterian Church in Amerika.  

© Ligonier Ministries @ Tabletalk Magazine. Die Übersetzung und Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

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