biblische Bilder

4 potenzielle Stolperfallen bei biblischen Bildern und wie man sie vermeidet

Renate S. hat uns folgende Frage geschickt: „Ich verstehe Römer 8,17 nicht. Wieso sind wir Erben [Gottes], Gott ist doch unsterblich?“


Jeder von uns hat vermutlich schon den Spruch gehört: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Oftmals ist an dem Spruch auch etwas Wahres dran. Manche Landschaftsbilder vermitteln uns einen Sinn für Schönheit, der sich nur schwer beschreiben lässt. Beim Betrachten von Porträts nehmen wir Emotionen wahr, die sich nur schlecht in Worte fassen lassen.

Um nicht viele Worte machen zu müssen, greifen Autoren oftmals auf Bilder, Vergleiche und Konzepte zurück, die eine Sache veranschaulichen sollen. Das trifft auch auf die biblischen Autoren zu. Gerade wenn es um geistliche Dinge geht, müssen die biblischen Autoren auf Bilder aus unserer Erfahrungswelt zurückgreifen, um das dahinterstehende Konzept zu verdeutlichen.

Bilder sind jedoch begrenzt. Eine Landschaftsaufnahme zeigt mir nur eine Momentaufnahme der Wirklichkeit, nur einen gewissen Aspekt. So gebrauchen die biblischen Autoren ihre Beispiele meist auch nur, um einen bestimmten Aspekt hervorzuheben. Wenn wir das nicht beachten, erzeugen wir Fragen und Probleme, die der Text überhaupt nicht aufwirft.

Daher möchte ich 4 Szenarien darstellen, bei denen wir den Bibeltext unnötig verdunkeln.

1. Wir setzen biblische Bilder und Vergleiche absolut

Nehmen wir einmal das Beispiel von einem „Erben“. In Römer 8 erklärt Paulus den Christen, dass wir durch den Glauben an Jesus Christus „Erben Gottes“ sind:

„Alle, die sich von Gottes Geist leiten lassen, sind seine Söhne ´und Töchter`. Denn der Geist, den ihr empfangen habt, macht euch nicht zu Sklaven, sodass ihr von neuem in Angst und Furcht leben müsstet; er hat euch zu Söhnen und Töchtern gemacht, und durch ihn rufen wir, ´wenn wir beten`: »Abba, Vater!« Ja, der Geist selbst bezeugt es uns in unserem Innersten, dass wir Gottes Kinder sind. Wenn wir aber Kinder sind, sind wir auch Erben – Erben Gottes und Miterben mit Christus.“

Als Kinder Gottes werden wir automatisch zu „Erben Gottes“. Das heißt, wir bekommen etwas, das uns rechtmäßig zusteht. Schauen wir uns weitere Stellen im Neuen Testament an, wird der Inhalt unseres Erbes noch deutlicher. Der Hebräerbriefschreiber sagt beispielsweise von Christus, dass Gott, der Vater, ihn „zum Erben aller Dinge eingesetzt hat“ (vgl. Hebr 1,2) und Jakobus erklärt:

„Hört, meine geliebten Brüder: Hat nicht Gott die vor der Welt Armen auserwählt, reich im Glauben und Erben des Reiches zu sein, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?“ (Jak 2,5).

Hier haben wir drei unterschiedliche neutestamentliche Autoren, die alle von einem Erbe sprechen, weil sie verdeutlichen wollen, dass wir etwas bekommen. Wir haben Anteil an den Segnungen Christi (vgl. Eph 1,3). Darum geht es ihnen, wenn sie das Beispiel von einem Erben heranziehen, um eine theologische Wahrheit zu veranschaulichen.

Wenn wir jetzt allerdings darüber nachdenken, was mit einer Erbschaft noch zusammenhängt, und versuchen, es auf Gott zu übertragen, dann überzeichnen wir das Bild und verfehlen die Absicht der biblischen Autoren.

So treten wir heute erst dann ein Erbe an, wenn der Vererbende gestorben ist. Wenn wir diesen Aspekt des Erbes jetzt jedoch auf Gott übertragen würden, könnten wir zu einer der beiden falschen Schlussfolgerungen kommen:

  1. Gott ist unsterblich, daher treten wir wohl nie unser Erbe an.
  2. Gott muss sterblich sein, andernfalls ergibt das Bild keinen Sinn.

Beide Vorstellungen werfen vermeintliche Probleme auf, wenn wir biblische Bilder absolut setzen. Biblische Bilder sind jedoch nie absolut, sondern wollen bestimmte begrenzte Aspekte verdeutlichen.

Ein weiteres Beispiel wäre das Bild des Lösegeldes.

In Markus 10,45 lesen wir:

„Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.“

So schreibt Petrus in seinem ersten Brief, dass wir nicht mit Silber und Gold erlöst wurden, „sondern mit dem kostbaren Blut Christi“ (1Petr 1,19). Eng verwandt mit diesem Bild des Lösegeldes ist das Bild vom Sklavenmarkt. Paulus gebraucht in Römer 6 zwar nicht das Wort Lösegeld, aber er verdeutlicht, dass wir durch den Glauben an Jesus nicht mehr Sklaven der Sünde, sondern Sklaven Gottes sind. Daher schreibt er in 1. Korinther 6,12: „Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden. Verherrlicht nun Gott mit eurem Leib!“

Dieses Bild von einem antiken Sklavenmarkt, von dem wir freigekauft wurden, soll uns vor Augen halten, dass unsere Versöhnung mit Gott etwas gekostet hat – das Leben seines Sohnes Jesus Christus. Dabei belässt es die Bibel, weil dieser Aspekt ausreichend erklärt wurde. Jetzt gibt es allerdings Christen, die sich die Frage stellen, wie das konkret mit der „Geldübergabe“ zu verstehen ist? An wen wurde das Lösegeld bezahlt? Viele würden antworten, dass Satan das Lösegeld erhalten hat, obwohl die Bibel diese Ansicht nirgendwo stützt. Außerdem ergeben sich dadurch weitere Fragen und Probleme, die den biblischen Autoren fremd waren.  

Halten wir also fest, dass biblische Bilder niemals absolut zu verstehen sind.

2. Wir interpretieren biblische Bilder und Vergleiche zu einseitig

Ein Bibeltext kann uns auch vor Probleme stellen, wenn wir biblische Bilder und Vergleiche zu starr verstehen, in dem Sinne, dass sie immer dasselbe bedeuten.

Ein bekanntes Beispiel ist das Bild von einem Löwen. Mal wird der Löwe positiv, mal negativ als Vergleich gebraucht. In 1. Petrus 5,8 lesen wir:

„Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.“

Hier vergleicht Petrus den Teufel mit einem Löwen auf der Jagd, der sich eine passende Beute sucht – eindeutig ein warnendes Beispiel.

Auf der anderen Seite wird der Löwe als Illustration für Herrschaft und Königswürde herangezogen. So wird der verherrlichte Christus in der Offenbarung mit einem Löwen verglichen:„Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, um das Buch und seine sieben Siegel zu öffnen“ (Offb 5,5).

Der jeweilige Kontext verdeutlicht, wie das Bild zu verstehen ist. Wenn wir ihn nicht beachten, kommen wir zu allen möglichen, irrigen Ansichten. Hier nur ein Beispiel.

In Römer 8,8 sagt Paulus: „Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen.“ Kurz zuvor sagte er: „Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod“ (V.6). Wenn wir jetzt allerdings das Bild vom „Fleisch“ einseitig im Sinne von Römer 8 deuten, können wir in große theologische Probleme stürzen, wenn wir uns Hesekiel 36,26 vor Augen halten, wo Gott verheißt: „Ich werde euch das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.“

Natürlich haben diese Vergleiche nichts miteinander zu tun. Bei Paulus steht das „Fleisch“ sinnbildlich für unsere alte, sündige Natur, im Gegensatz zum Geist Gottes. Bei Hesekiel steht das fleischerne Herz sinnbildlich für Leben, im Gegensatz zu einem toten Herz aus Stein.

Halten wir also fest, dass biblische Bilder nicht immer dasselbe bedeuten.

3. Wir nehmen biblische Bilder und Aussagen wörtlich

Natürlich nehmen wir den Bibeltext wörtlich – aber nur dann, wenn er auch wörtlich verstanden werden will. Manchmal verdunkeln wir den Bibeltext aber auch, wenn wir ihn wörtlicher nehmen, als er gedacht ist. Mein Lieblingsbeispiel ist Hiobs Aussage in Hiob 1,21. In seiner Trauer nach seinem Verlust sagt er: „Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib gekommen, und nackt kehre ich dahin zurück.“

Natürlich ist die Aussage nicht wortwörtlich zu verstehen. Zwar stimmt es natürlich, dass Hiob als nacktes Baby auf die Welt kam – so wie wir alle – aber ich denke nicht, dass die Aussage wörtlich zu nehmen ist, dass Hiob „… nackt dahin [in den Mutterleib] zurückkehrt.“

Stattdessen möchte Hiob sagen, dass er mit nichts in diese Welt kam und diese gewissermaßen auch so verlässt, weil alles, was wir sind, und haben, ein Geschenk der Gnade Gottes ist, wie sein Lobpreis verdeutlicht.

Oder nehmen wir 2. Samuel 11,8. Nach seinem Ehebruch mit Batseba holt König David Uria, Batsebas Mann, an den Königshof und schickt ihn zu seiner Frau. Dann lesen wir:

„Und David sagte zu Uria: Geh in dein Haus hinab und wasche deine Füße! Und als Uria aus dem Haus des Königs ging, kam ein Geschenk des Königs hinter ihm her.“

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Geschenkkarton mit Füßen hinter Uria herlief. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Bote Davids mit einem Geschenk in der Hand hinter Uria herlief.

Diese beiden obigen Beispiele sind zugegebenermaßen extrem und mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass jemand diese Stellen tatsächlich so verstanden hätte, wie ich es gerade dargestellt habe. Doch andere Bibelstellen können uns wirklich in Verständnis- und Erklärungsnot bringen. Ein krasses Beispiel ist Psalm 137,8-9:

„Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast. Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!“

Zweifellos gehört diese Aussage mit zu den schwersten im ganzen Alten Testament. Viele Bibelleser, seien sie Christen oder Nicht-Christen, würden beim Lesen schlussfolgern, dass die Bibel eine derartige Praxis billigt oder gar gebietet. Das ist allerdings nicht der Fall.

Zunächst einmal müssen wir, wie in jedem Fall, den Kontext berücksichtigen. Als Teil des Psalters ist Psalm 137 zunächst einmal ein Lied oder ein Gebet in poetischer Sprache verfasst. Beim Lesen des Psalms wird deutlich, dass wir es mit einem Klagepsalm zu tun haben, der im babylonischen Exil verfasst wurde.

Die Worte „Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast…“ verweist auf all die Schrecken, die der Psalmist von den Babyloniern bei der Eroberung Jerusalems zu erleiden hatten. Vermutlich gab es nicht wenige Väter und Mütter, die mitansehen mussten, wie man ihre Kinder vor ihren Augen auf brutalste Weise ermordet hat. Psalm 137 ist gewissermaßen das Ventil, durch das der Schmerz und die Trauer über den Verlust entweichen kann. Aber – und dass ist extrem wichtig – es ist kein Aufruf zu den Waffen! Vers 7 ist hier hilfreich: „Rechne, HERR, den Söhnen Edom den Tag Jerusalems an …“. Der Psalmist wendet sich hier an Gott, den Richter der ganzen Erde und bittet ihn, entsprechend seiner Gerechtigkeit zu handeln. Der Alttestamentler Tremper Longman III fasst hilfreich zusammen:

„Und das ist der wichtige Punkt: Die Verwünschungen sind nicht nur Ausdruck des Zorns; sie erlauben uns, unseren Zorn Gott zu überlassen, damit er so handelt, wie er es für richtig hält. Diese Gebete sind keine Bitten an Gott, um die Mittel und die Gelegenheit zu bekommen, sich an den Feinden zu rächen; es sind Bitten darum, dass Gott dies tut und die Psalmisten erkennen Gottes Freiheit an, zu handeln oder nicht zu handeln, wie er es für richtig hält.“[1]

Halten wir also fest, dass nicht alle Aussagen der Bibel wörtlich zu verstehen sind.

4. Wir ziehen einen falschen Umkehrschluss

Eine weitere Falle, in die wir tappen können, ist, wenn wir falsche Umkehrschlüsse ziehen, die ein Bibeltext gar nicht beabsichtigt. Nehmen wir einmal Sprüche 18,22 als Beispiel. Dort lesen wir:

„Wer eine Frau gefunden, hat Gutes gefunden und hat Wohlgefallen erlangt vor dem HERRN.“

Die Aussage ist recht deutlich. Es ist grundsätzlich gut, wenn man einen Ehepartner gefunden hat. Jetzt wäre es allerdings fatal, wenn ich in diesem Fall den Umkehrschluss ziehe, dass Ledige kein Wohlgefallen vor dem Herrn haben, weil sie keinen Partner gefunden haben! Denn das sagt der Text nicht. Er macht eine positive Aussage und belässt es dabei.

Gerade dieser Aspekt des falschen Umkehrschlusses kann zu seelsorgerlichen Problemen führen, wenn wir mehr in Texte hineinlesen, als dort wirklich steht und sie dann fälschlicherweise auf uns anwenden.

Natürlich gibt es auch „richtige“ Umkehrschlüsse in der Bibel, die jedoch häufig als solche gekennzeichnet sind. Ein Beispiel wäre 1. Johannes 5,12:

„Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“

In diesem Fall ist es absolut richtig zu schlussfolgern, dass wer den Sohn Gottes nicht hat, auch das (ewige) Leben nicht hat. Doch dieser Aspekt wird sowohl im Johannesevangelium als auch in den Johannesbriefen mehr als deutlich, so dass wir diesbezüglich nicht im Unklaren sind.

Wie können wir also derartige Fehlinterpretationen beim Bibellesen vermeiden?

Halte dir vor Augen, dass biblische Bilder und Vergleiche nicht absolut zu verstehen sind. Begnüge dich mit dem, was der biblische Autor sagt. Halte dir vor Augen, dass manche Bilder und Vergleiche unterschiedliches bedeuten können und nicht alles wortwörtlich zu verstehen ist. Der Kontext wird dir Klarheit schenken. Und zuletzt, ziehe keine Umkehrschlüsse, die die Bibel selbst nicht zieht.


[1] Longman, Tremper, III, Psalms: An Introduction and Commentary, hg. von David G. Firth, Tyndale Old Testament Commentaries (Nottingham, England: Inter-Varsity Press, 2014), XV–XVI, 52.

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