|

Worauf beruht unsere Gewissheit?

Die Bibel spricht sehr deutlich davon, dass ein Christ durchaus gewiss sein kann, dass er das ewige Leben hat (vgl. 1. Johannes 5,13 u.a.) und es gibt drei Dinge, denen diese Gewissheit entspringt:

  1. Gottes untrügliche Verheißungen
  2. Die innere Wahrnehmung, dass Gott in uns am Wirken ist
  3. Das Zeugnis des Heiligen Geistes, der uns versichert, dass wir Kinder Gottes sind. 

Viele empfinden es als ein großes Problem, von einer „Gewissheit der Errettung“ zu sprechen. Zur Zeit der Reformation sprach man in der römisch-katholischen Kirche sogar davon, dass diese Gewissheit die „größte aller Irrlehren“ sei. Denn was könnte einer Religion, bei der menschliche Werke und das Priesteramt entscheidende Mittel zur Errettung sind, mehr widersprechen, als die persönliche Gewissheit erlöst zu sein? Wenn Christen sich des ewigen Lebens gewiss sein können, ohne an den kirchlichen Ritualen teilzunehmen, was wäre die Folge? Ganz sicher würden die Menschen zu dem Schluss kommen, Gottes Gebote seien nicht verbindlich, sondern nur optimal, was letztendlich in die Gesetzlosigkeit führt.

Die Bibel spricht jedoch – und darauf basierend auch die reformatorischen Bekenntnisse – ganz deutlich davon, dass die Gewissheit des Heils davon abhängt, ob wir auch wirklich Gottes Wirken in uns erfahren. Aber was ist damit gemeint? Nun, die Bibel verdeutlicht, dass wahre Gläubige die Frucht des Geistes hervorbringen. Wenn also die Frucht des Geistes in meinem Leben sichtbar ist, dann darf ich gewiss sein,  dass ich auch wirklich errettet bin!

Allerdings reicht dieses Argument alleine nicht aus, weil diese Wahrnehmung der geistlichen Frucht im eigenen Wesen sehr subjektiv ist. Deshalb muss die Gewissheit der Erlösung vor allem und zu allererst auf das (objektive) Werk Jesu Christi und auf (objektiven) Verheißungen Gottes gegründet sein – und erst auf der Grundlage dieser beiden Tatsachen lässt Gott uns (subjektiv) Sein Wirken in uns erfahren.

Nun ist es aber eine Sache, zu glauben, dass Christus mich retten kann, und eine ganz andere, dies auch für mich in Anspruch zu nehmen. Kein Mensch kann sich seiner Errettung gewiss sein, wenn er nicht auch glaubt, dass Christus fähig und bereit ist, ihn zu erretten. Daher ist die erste Bedingung, dass wir darauf vertrauen, dass Christus alle rettet, die an Ihn glauben.

Nehmen wir aber an, jemand hat keinen Zweifel daran, dass Christus fähig und bereit ist, die zu erretten, die an ihn glauben – wie kann er sich dann sicher sein, dass er selbst diesen rettenden Glauben besitzt? Eine Antwort darauf finden wir in Römer 1,5 und 16,26, wo vom „Gehorsam des Glaubens“ die Rede ist. Diese Stellen verdeutlichen, dass der wahre Glaube sichtbar wird. Anders formuliert: Das Neue Testament zieht eine klare Verbindung zwischen der Treue des Christen und der froh machenden Gewissheit, dass er errettet ist. Echte Christen weisen die Frucht des Geistes auf und diese Frucht ist nach außen sichtbar und nachweisbar.

Vier Wege zur Gewissheit

Der Apostel Johannes behandelt dieses Thema in seinem ersten Brief: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt“ (1. Johannes 5,13). Ohne den Glauben „an den Namen des Sohnes Gottes“, also an die Person Jesus Christus, kann und darf es keine wahre Heilsgewissheit geben. Da stellt sich allerdings die Frage: Woher kann ich wissen, dass mein Glaube wirklich echt ist? Auf diese Frage gibt uns Johannes eine klare Antwort, indem er vier Wesenseigenschaften des rettenden Glaubens an Christus aufzeigt.

  1. Gehorsam gegenüber Gottes Geboten: „Daran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote befolgen. Denn das ist die Liebe Gottes: dass wir seine Gebote halten“ (1. Johannes 5,2-3). Wer wahren Glauben besitzt, kann daher niemals Gottes Gebote ignorieren.
  2. Gelebte Gerechtigkeit: „Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt auch, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist“ (1. Johannes 2,29). Ein echter Gläubiger wird auch ein Leben führen, dass vom Glauben an Christus und vom dementsprechenden Glaubensgehorsam geprägt ist. Er hat die Sehnsucht danach, Christus ähnlicher zu werden.
  3. Die Abkehr vom alten Leben: „Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht in Sünde lebt (1. Johannes 5,18; vgl. 3,6.9). Wollte ich die Aussage dieses Verses in allen Einzelheiten erklären, würde das den Rahmen sprengen, aber er sagt deutlich genug, dass wahrer rettender Glaube nicht mit einem von Sünde geprägten Lebensstil zu vereinbaren ist. 
  4. Gelebte Nächstenliebe: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod … jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und erkennt Gott“ (1. Johannes 3,14; 4,7). Die Liebe zu den Glaubensgeschwistern war für den Apostel Johannes von größter Bedeutung. Die Überlieferung erzählt, dass Johannes während seiner Ältestenschaft in Ephesus die Gemeinde immer aufforderte: „Meine Kinder, liebt einander!“ Und auf die Frage, warum er dies ständig betone, antwortete er: „Es ist das Gebot unseres Herrn. Und wenn Ihr dies befolgt, so ist’s genug!“

Diese vier Kennzeichen führen gemeinsam zu der Gewissheit, dass unser Glaube in Christus echt ist. Doch was ist, wenn ich diese äußerlichen Merkmale nicht an mir selbst wahrnehme, muss ich dann zwangsläufig zum Schluss kommen, dass mein Glaube nicht echt ist? Nun, man kann zu diesem Schluss kommen, muss es jedoch nicht zwangsläufig. Denn es ist sehr gut möglich, dass unsere Selbstwahrnehmung in diesem Punkt ganz einfach nur falsch ist. Vielleicht sind wir zu selbstkritisch und sehen deshalb Dinge an uns nicht, die andere aber sehr wohl wahrnehmen. Wie häufig kommt es vor, dass wir in gewissen geistlichen Dingen schwächeln und daher nichts davon an uns selbst bemerken, obwohl sie doch vorhanden sind – wenn auch nur in geringem Maße. Zudem kann die Tendenz zur Unsicherheit und zum Selbstzweifel dazu führen, dass wir unseren geistlichen Zustand völlig negativ beurteilen, während eine mehr objektive Betrachtung zu einem ganz anderen Ergebnis führen würde.

Doch trotz allem besteht die reale Möglichkeit, dass unser Glaube nicht echt ist. Was dann?

Vertrauen wir auf unsere Leistungen oder auf Christus?

An diesem Punkt ist entscheidend, welchem Rat wir folgen. Ein möglicher Rat könnte lauten: „Streng dich mehr an!“ Das heißt, ein Mensch, der aufgrund seines Charakters an der Echtheit seines Glaubens zweifelt, könnte versucht sein,  ein „konsequenteres Christenleben“ zu führen – also häufiger die Bibel zu lesen, mit mehr Leidenschaft zu beten, anderen mehr Liebe entgegenzubringen und so weiter. Doch was würde das bezwecken? Zuerst einmal ist es sehr fraglich, ob ein Mensch, der ohnehin zu übertriebener Selbstkritik neigt, einfach nur durch mehr Anstrengung zu einem veränderten Selbstbild kommt. Aber noch viel entscheidender ist, dass einem solchen Ratschlag der Trugschluss zugrunde liegt, geistliche Früchte würden den Glauben hervorbringen und nicht umgekehrt. Der Rat „Streng dich mehr an!“ führt letztendlich nur zu Selbstgerechtigkeit und Gesetzlichkeit, weil man auf die eigene Leistung vertraut, statt sie als Folge der Errettung anzusehen. Sinclair Ferguson hat Recht, wenn er sagt, dass „die Gewissheit des Glaubens niemals ohne den Glauben selbst erfahren“ werden kann. 

Daher ist der Ratschlag auf Werke zu schauen (und somit auch der Versuch mehr Werke hervorzubringen), um dadurch Heilsgewissheit zu erlangen, völlig irreführend und gefährlich, denn die Bibel sagt klar und deutlich, dass allein Christus fähig ist, zu erretten. Wem die Gewissheit dieser Errettung fehlt, der muss daher unbedingt auf Christus und sein Erlösungswerk schauen, um Gewissheit zu erlangen. Losgelöst vom Glauben an Christus wird uns keines unserer Werke wahre Gewissheit schenken. Das einzige, was eine solche Haltung hervorbringt, ist Scheinheiligkeit.

Um dem Missverständnis vorzubeugen, ich würde einen laxen Lebenswandel propagieren, möchte ich ganz klar betonen, dass wahrer Glaube auch zum Gehorsam führen wird – umgekehrt gilt dies allerdings nicht! Dieser Unterschied ist sehr wichtig. Denn die Forderung, durch Werke den Glauben zu erzeugen ist nichts weiter als Gesetzlichkeit, durch die der Mensch mit seinen Leistungen in den Mittelpunkt gerückt wird; doch das alleinige Vertrauen auf Christus, mit den daraus resultierenden guten Werken  als Früchten des Glaubens, stellt Gott und sein Evangelium in den Mittelpunkt!

Bleibe in Christus

Letztendlich ist der Rat, allein auf Christus zu schauen, genau das, was Jesus seinen Jüngern am Abend vor seiner Verhaftung mit auf den Weg gab, als Er sprach: „Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Johannes 15,14-15).

In diesem Kapitel wird deutlich, dass für Jesus das Fruchtbringen und das Halten seiner Gebote ein und dieselbe Sache sind (vgl. Johannes 15,10), und dies ist nur möglich, wenn wir in Ihm bleiben. Daher gibt es nur ein Heilmittel, wenn es uns an geistlicher Frucht mangelt: Wir müssen uns wieder Christus zuwenden und die Gemeinschaft mit Ihm vertiefen! „Denn die Liebe Christi drängt uns“ (2. Korinther 5,14). Und genau das ist es, was das Bleiben in Christus ausmacht: es drängt uns zum Gehorsam. Aus Jesu Liebe heraus wächst in uns der Wunsch seine Gebote zu befolgen. Wir wissen, dass unser Gehorsam Jesus „verletzt“ und Seinen Geist in uns betrübt. Also setzen wir alles daran, dass wir Ihm gefallen, weil die Gemeinschaft mit Ihm unser größtes Glück ist (vgl. 2. Korinther 5,9). Und während wir aus dieser Gemeinschaft heraus Frucht bringen, wächst in uns auch die Gewissheit, in Christus errettet zu sein.

Derek Thomas

Derek Thomas ist Senior Pastor der First Presbyterian Church in Columbia sowie Professor am Reformed Theological Seminary in Atlanta (USA).

Ähnliche Beiträge