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Geburt, Entbindung und neues Leben

Neunundzwanzig Jahre als Junggeselle haben mich wenig auf die Entbindungsstation vorbereitet. Meine Frau und ich hießen vor einigen Monaten unseren Erstgeborenen auf dieser Erde willkommen. Während er in der Schwangerschaft an Gewicht zunahm, gingen wir zu unseren Arztterminen, bereiteten unsere kleine Wohnung für den neuen Mieter vor und beteten fortwährend um Gottes Hilfe. Neun Monate des Wartens, dutzende Stunden Arbeit und wir waren dennoch nicht auf das Wunder vorbereitet, unseren Sohn zu sehen. 

Meine Frau und ich würden beide sagen, dass wir an diesen Tagen vollkommen abhängig waren, dass es bis dahin die geistlich herausforderndsten Tage unseres Lebens  waren, an denen wir uns täglich auf Gott für seine Versorgung, Kraft und Schutz gestützt haben.

Die Geburt eines Kindes ist immer atemberaubend, aber um wie viel mehr für diejenigen von uns, die wiedergeboren wurden? Die süßesten und tiefgründigsten Dinge, die meine Frau und ich in den vergangenen Wochen gesehen und erlebt haben, drehten sich nicht um unseren Sohn, so hübsch er auch ist, sondern um Gott. Minute um Minute verstanden wir mehr von dem, was Gott getan hat, als er uns neues Leben schenkte und uns neu machte. 

Gott könnte unendlich viele andere Bilder gebraucht haben, um das zu beschreiben, was geschah, als wir unser Vertrauen in ihn setzten, aber er gebrauchte ein Baby – ein kleines menschliches Wesen, dass weder sehen, sprechen noch hören kann. Jesus sagte: »Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen« (Johannes 3,3). Neugeborene sind unfähig, alleine mehr als nur ein paar Stunden zu überleben oder irgendetwas zu tun. Aber sie können uns viel über die wichtigste Sache in der Welt lehren.

1. Neugeboren hören niemals auf zu essen

Neugeborene können unglaublich fordernd sein, dennoch ist es unglaublich einfach. Unser Arzt fragte uns bei jedem Termin im Grunde nur nach zwei Dingen: 1) Wie schläft er? 2) Isst er? Die Zeichen eines wachsenden und gedeihenden Neugeborenen sind Ruhe und Appetit. Ein hungriges Baby ist ein gesundes Baby.

Zu viele bekennende Christen haben sich davon überzeugt, dass sie Christus nachfolgen, während sie gleichzeitig wenig bis gar keinen Hunger nach ihm haben. Sie ziehen sich wie Christen an, entwickeln einen christlichen Lebensplan, umgeben sich mit Christen aber vernachlässigen den Speiseplan eines Christen. Sie mögen ein reines Gewissen haben, ernähren sich aber nicht von der richtigen Milch, sondern geben sich mit einem Mittelmaß an Komfort und Sicherheit zufrieden. Aber ein echtes Neugeborenes schreit nach mehr. 

John Piper schreibt: »In der neuen Geburt wird unsere tote, steinerne Gleichgültigkeit Christus gegenüber durch ein Herz ersetzt, das den Wert Jesu empfindet« (Endlich leben, S. 40). Ein wiedergeborener Christ hat geschmeckt und gesehen, dass der Herr gut ist (Psalm 34,8), und kann nun niemals genug von ihm schmecken oder sehen. Jeder neue Tag bringt seine eigene unleugbare Notwendigkeit nach Nahrung mit sich – die Notwendigkeit nach neuen Gnadenerweisen des Herrn (Klagelieder 3,22-23), neue Sichtweisen auf Christus.

Piper sagt: »Der Glaube ist ein geistliches Feiern Jesu, mit einer Sichtweise, die so zufrieden ist in ihm, dass alle anderen Verlockungen ihre Kraft verlieren« (A Hunger for God, S. 43-44). Ein Zeichen der Neugeburt ist ein verzweifeltes und beständiges Verlangen nach mehr von Gott, in seinem Wort und in Gebet. 

2. Neugeborene bringen sich nicht selbst zur Welt – sie werden geboren

Geburten geschehen Neugeborenen. Das Baby bringt sich nicht selbst zur Welt. Es mag mehr oder weniger bereit sein, den Mutterleib zu verlassen, aber durch die Leitung Gottes entscheidet der Körper der Mutter, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Eine Geburt feiert nicht die Stärke, Intelligenz oder Reife eines Neugeborenen. 

Wenn wir einen Schritt zurückgehen – zumindest stimmt meine Frau mir da zu – dann steht nicht einmal die Stärke der Mutter im Vordergrund. Viele Mütter fühlen sich im Kreissaal am Schwächsten und Abhängigsten, insbesondere diejenigen, die in der Kraft gebären, die Gott bereitstellt (vgl. 1. Petrus 4,11). Sie mögen ein besonders hohes Maß an Sieg und Errungenschaft erleben, aber sie fühlen ebenfalls, dass jemand Stärkeres als sie für sie kämpfte Minute um Minute, Geburtswehe um Geburtswehe. 

In Endlich leben! schreibt John Pipier: »Neues Leben empfängt man in der Neugeburt. Hierbei handelt es sich nicht etwa um religiöse Aktivität, Disziplin oder Entscheidungen, sondern um das Entstehen geistlichen Lebens. […] Die Wiedergeburt ist übernatürlich, nicht natürlich« (S. 27-28). Psalm 139 hat es einprägsam formuliert: »Denn du bildetest meine Nieren. Du wobst mich in meiner Mutter Leib. Ich preise dich darüber, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt es sehr wohl.«

Ein Neugeborenes ist erstaunlich und wunderbar gemacht, nicht entdeckt. Die Neugeburt ist erstaunlich und wunderbar gegeben, nicht erarbeitet. Die Neugeburt ist kein Selbst-ist-der-Mann-Projekt, sondern etwas, dass für dich getan wurde. 

3. Neugeborene warnen uns über die Ernsthaftigkeit der Sünde

Ich habe niemanden hier auf Erden so sehr geliebt, wie meine Frau. Und ich habe niemanden jemals so viel Schmerzen erleiden sehen wie meine Frau, als sie ihr Kind bekam. Die Mischung meiner Liebe zu ihr und die Intensität ihres Schmerzes ließen mir die Worte aus 1. Mose 3 so deutlich vor Augen treten, wie niemals zuvor: »Ich werde sehr vermehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären!« (1. Mose 3,16). 

Warum? Weil Sünde diese Art des qualvollen Schmerzes willkommen heißt. Als Gott Adam und Eva (und jedem einzelnen von uns nach ihnen) die Ernsthaftigkeit unserer Ablehnung Seiner Person und Seines Willens verdeutlichen wollte, ging er zum Kreissaal – wo die sensibelsten, verletztlichsten und schönsten Dinge in der Welt geschehen – und machte es untragbar schmerzvoll. 

Piper sagt, dass ein solcher Schmerz »zu den sichtbaren, hörbaren und berührbaren Bildern der moralischen Empörung darüber [gehören], dass die Sünde in die Welt Eingang gefunden hat und die Welt durchdringt« (Endlich Leben, S. 86). Der weitaus schrecklicherer und unvorstellbarer Gedanke ist dieser, dass selbst der schlimmste Schmerz der härtesten Geburten gegenüber den Konsequenzen der Sünde verblasst. Menschen in der Hölle würden darum bitten, Geburtsschmerzen zu erleben, als die Konsequenzen ihrer Sünde zu tragen. So furchtbar ist jede Sünde gegen Gott. Ein Neugeborenes warnt uns, um jeden Preis vor der Sünde zu fliehen (Römer 8,13). 

4. Neugeborene lehren uns die Geschichte der Welt

»Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst und erwarten die Sohnschaft; die Erlösung unseres Leibes« (Römer 8,22-23). 

Wenn ich darüber nachdenke, dass die ganze Schöpfung »zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt«, dann kommen mir die letzten Minuten vor der eigentlichen Geburt in den Sinn. Das sind die Momente, die im Fernsehen und in Filmen festgehalten werden (alles was ich bisher über Geburten wusste). Aber die Schmerzen des Kinderkriegens beginnen eigentlich schon bei der Empfängnis und dauern die ganzen neun Monate an – Wochen über Wochen des Unwohlseins, der eingeschränkten Mobilität und weiterem mehr. 

Die Weltgeschichte ist mit einer Geburt vergleichbar – Übel erregend, schmerzhaft, unvorhersehbar, ungeduldig. Das Warten auf eine neue Geburt ist wie das Warten auf das erste Atmen frischen Sauerstoffs in einer sündlosen Welt, in der Gott alles ausfüllt. 

Wir werden die Schmerzen des Kinderkriegens in diesen ersten Momenten im neuen Himmel und der neuen Erde nicht vergessen, aber all das Leiden wird plötzlich schrumpfen und verblassen hinter unserer Freude in der neuen Schöpfung. Wie eine Mutter, die ihr Neugeborenes in den Händen hält, so wird der Wiedergeborene jede Sekunde im Angesicht Jesu festhalten und plötzlich all das wertschätzen, was Gott in den schmerzhaften vorherigen Wochen, Monaten und Jahrhunderten getan hat. 

Neugeborene lehren uns etwas über die Geschichte der Welt, ja sprichwörtlich über den Zustand der ganzen Welt zwischen der ersten und der letzten Sünde. Sie erzählen uns die ganze Geschichte und erinnern uns daran, dass wir nach Jesu Rückkehr trachten sollen. 

Wann wurdest du wirklich geboren?

Bezüglich meines Lebens auf der Erde scheint das Jahr 1986 der bestimmende Moment meines Lebens gewesen zu sein (zumindest wenn es um Steuern und Kreditkarten geht). Aber das Jahr 2001 wird für alle Zeit den Beginn meines ewigen Schicksals markieren – das Jahr, in dem meine Sünden vergeben wurden und ich völlige Freude in der Neugeburt fand. 

»Die Wiedergeburt ist keine vage, von der Geschichte losgelöste geistliche Veränderung. Sie iste in objektives historisches Handeln des Geistes Gottes, der uns durch den Glauben mit dem historischen, menschgewordenen, erscheinenden Herrn Jesus verbindet, sodass das Leben, das er jetzt als der Gekreuzigte und auferstandene Retter führt, unser Leben geworden ist, weil wir mit ihm vereint sind« (Endlich Leben, S. 92). 

Deine Wiedergeburt in Christus ist so real wie der Tag, an dem du von deiner Mutter geboren wurdest. Der gedehnte Bauch, die konzentrierte Atmung, die Tränen, die ihre Wangen hinunterliefen, die Schmerzen der Wehen sowie das verzweifelte Pressen erzählen uns, dass die Neugeburt sogar weitaus realer und schöner ist. 

Meine Frau und ich werden niemals den Tag vergessen, an dem wir unseren Sohn begrüßten. Er selbst wird sich an diese ersten Minuten nicht mehr erinnern und auch nicht an die folgenden Wochen. Aber ungeachtet dessen, woran er sich noch erinnern kann, so steht fest, dass er geboren wurde. Ob wir uns noch an den Tag an dem wir wirklich lebendig gemacht wurden erinnern oder nicht, wenn wir heute mit Christus lebendig sind, dann war diese Geburt so real wie nur irgendetwas. 

Lassen wir uns heute von Neugeborenen neu daran erinnern, dass wir es Gott zu verdanken haben, dass wir nun auf ewig leben und atmen. 

Dieser Artikel erschien zuerst bei desiringgod.org. Die Übersetzung und Wiedergabe erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber. 

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