richtig vergeben
|

Wie sollen wir mit Verbitterung umgehen? 3 unerlässliche Schritte, um richtig vergeben zu können

Dieser Artikel geht auf eine Leserfrage zurück: Cornell hatte gefragt: Wie wird man Verbitterung los und wie kann ich richtig vergeben?

In Hebräer 12,15 lesen wir: „Und achtet darauf, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und euch zur Last werde und durch sie viele verunreinigt werden.“

Bitterkeit ist ein ernstes Thema, und niemand ist davor gewappnet. Oftmals entsteht Verbitterung, weil wir enttäuscht wurden oder jemand sich an uns versündigt hat und wir die Sache nicht vor Gott und Menschen bereinigt haben, die Angelegenheit nicht vergeben wurde. Vergebung ist ein wichtiges und gleichzeitig komplexes Thema. Daher gibt es dazu weitaus mehr zu sagen, als hier möglich ist. Jedem, der tiefer in das Thema einsteigen möchte, empfehle ich das Buch von Tim Keller Vergeben, warum eigentlich? Und wenn ja – wie?. Die folgenden Ausführungen sind diesem Buch entnommen.1

Zunächst einmal müssen wir zwischen Vergebung und Versöhnung unterscheiden. Keller schreibt: „Die Vergebung als innere Einstellung kann ohne Versöhnung geschehen, aber Versöhnung kann nicht geschehen, wenn die innerliche Vergebung nicht schon geschehen ist“ (S. 152). Grundsätzlich sollten wir Vergebung und Versöhnung anstreben, aber nicht immer ist Letzteres möglich, wenn z.B. die beteiligte Partei nicht zur Versöhnung bereit oder inzwischen verstorben ist. Dennoch kann und muss ich der Person, die an mir schuldig geworden ist, vergeben, wenn ich selbst Jesus gehorsam und geistlich gesund bleiben möchte. 

Was aber gehört zur Vergebung? Keller nennt drei Punkte, die wesentlich für ein biblisches Verständnis von Vergebung sind:

„Vergebung, die von Herzen kommt, umfasst mehrere Schritte: sich mit dem Täter identifizieren, die Schuld innerlich selbst begleichen und dann bereit sein, dem Schuldigen Gutes zu tun. Das ist schwer. Aber wenn wir verhindern wollen, dass wir zu jemandem werden, der wir – könnten wir in die Zukunft sehen – niemals sein möchten, ist es unumgänglich“ (S. 222).

1. Sich mit dem Täter identifizieren

Damit ist gemeint, dass wir den Täter immer noch als Mitmensch betrachten, als jemand, der wie wir im Ebenbild Gottes geschaffen ist. Gleichzeitig erinnert es uns daran, dass auch wir selbst in Gottes Augen begnadete Sünder sind, denen vergeben worden ist. Wenn uns Unrecht getan wurde, neigen wir schnell dazu, den anderen auf seine Sünde zu reduzieren, während wir selbst bei uns die Sünde entschuldigen. Eine solche Haltung wird immer dazu führen, dass wir uns den anderen gegenüber überlegen fühlen und es uns unmöglich machen, zu vergeben. Der erste Schritt besteht also darin, den anderen als Menschen zu sehen, der zwar schuldig geworden ist, aber durch Gottes Gnade wiederhergestellt werden kann.

2. Die Schuld innerlich selbst begleichen

Wenn wir geschädigt wurden, schuldet der Täter uns etwas. Das kann wörtlich gemeint sein, wenn z.B. ein finanzieller Schaden entstanden ist. Irgendjemand muss für den Schaden aufkommen. Entweder zahlt der Täter den Schaden selbst oder ich übernehme ihn. Aber auch unser Ruf, eine Beziehung oder unsere Gesundheit können geschädigt werden und auch dann schuldet der Täter uns etwas (den Ruf, die Beziehung, die Gesundheit).

In manchen Fällen kann der Schaden vom Täter nicht wiedergutgemacht werden und in dem Fall bedeutet Vergeben, die Schuld innerlich selbst zu begleichen. „Vergebung bedeutet, innerlich den Wunsch nach Rache loszulassen. Verzeihen bedeutet, dem Täter ein Geschenk zu machen, das er in keiner Weise verdient hat. In Liebe nimmt man auf sich selbst, was andere einem schulden“ (S. 226). Praktisch bedeutet das, die Sache innerlich nicht immer wieder aufzuwärmen, auf Eifersucht und Selbstmitleid zu verzichten und gut vom anderen zu denken und zu reden, wenn man eigentlich genau das Gegenteil davon tun möchte. Daher ist Vergebung immer kostspielig. 

3. Dem Schuldigen Gutes tun

Als drittes Element der Vergebung nennt Keller die Bereitschaft, dem Täter bewusst Gutes zu tun. „‚Das Wohl des Täters‘ zu wünschen, ist eine Art Test. Wenn wir uns sowohl mit dem Schuldigen identifiziert als auch begonnen haben, die Schuld innerlich zu begleichen, sind wir frei, sein Bestes zu wollen“ (S. 231).

Das kann je nach Situation unterschiedlich aussehen. In jedem Fall sollte es aber beinhalten, für die Person zu beten und im Namen Gottes Gutes für sie zu erbitten. Im Gemeinde- oder Familienkontext kann es bedeuten, dieser Person nicht bewusst aus dem Weg zu gehen, sondern stattdessen ihre Stärken und Leistungen positiv zu würdigen und zu fördern.

In anderen, besonders krassen Fällen, in denen ein Verbrechen vorliegt, muss „das Beste“ auch darin bestehen, den Täter mit seiner Schuld zu konfrontieren und für Gerechtigkeit einzustehen, weil diese Konsequenz (z.B. gerichtliche Verurteilung mit Gefängnisstrafe) genau das ist, was der Täter braucht, um seine Schuld einzusehen und wieder auf den richtigen Weg gebracht zu werden, anstatt dass man die Sache auf sich beruhen lässt. 

Das sind, kurz gesagt, die drei grundlegenden Schritte zur Vergebung, die wir gehen müssen, wenn wir nicht von Groll und Bitterkeit innerlich aufgefressen werden wollen. Und Gott, der uns auffordert, unseren Mitmenschen zu vergeben, wird uns auch die Kraft und die Ressourcen geben, um seinen Willen zu tun.


  1. Timothy Keller, Vergeben, warum eigentlich? Und wenn ja – wie?, Brunnen: Gießen, 2024. ↩︎

Das könnte dich auch interessieren ...