Kraftausdruecke
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Dürfen Christen Kraftausdrücke gebrauchen?

Ich erinnere mich noch oft an meine ersten Wochen an der Bibelschule. Ich war noch nicht lange Christ, hatte dafür, obwohl ich gläubige Eltern hatte, einige Jahre völlig ohne Gott gelebt; sozusagen völlig gottlos. Und das hatte Spuren hinterlassen. In meinem Verhalten aber auch in meiner Sprache. Als ich im Alter von zwanzig Jahren begann, das Evangelium zu begreifen und zu Gott umkehrte, änderte sich auch meine Sicht auf die Art, wie ich denken und reden sollte.

Es hatte sich bereits viel von meiner „völlig normalen Art zu reden“ verändert. Ich wollte Gott gehorsam sein, wollte anständig leben, aber dass noch immer Luft nach oben war, stellte ich schmerzhaft fest, als mich eine Bibelschülerin mitten im Speisesaal vor anderen Schülern darauf ansprach: „Weißt du eigentlich, wie oft du das Wort ‚Scheiße‘ benutzt?“ Bis dahin wusste ich es nicht, aber du kannst dir sicher sein, dass ich von dem Moment an darauf achtete.

Zwei Mitschüler, die während dieser Zeit zu engen Freunden wurden, halfen mir dabei, indem sie mich auf Psalm 141,3 hinwiesen:

Bestelle, HERR, eine Wache für meinen Mund! Wache über die Tür meiner Lippen.“

Und tatsächlich passte sich nach und nach meine Redeweise der der anderen Bibelschüler an. Ich fiel in der Masse der Frommen nicht mehr so sehr auf, allerdings merkte ich, dass ich mich ziemlich verstellen musste, damit die anderen zufrieden mit mir waren. Ich wurde mit der Zeit ziemlich still und sagte lieber nichts, als etwas Falsches zu sagen. Ich wollte nicht gegen die „christliche Political Correctness“ verstoßen und war nicht sicher, was ein Christ sagen darf und was nicht.

Aber um herauszufinden, was die christliche Art zu reden wirklich ist, sollten wir lieber einmal wegschauen von dem, was Bibelschüler erwarten, und hin zu dem, was Gott in seinem Wort sagt.

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Die Bibel ist von vorne bis hinten Gottes Wort. Ihre Texte wurden von Menschen aufgeschrieben, die jedoch vom Geist Gottes inspiriert waren. Manchmal kommen in der Bibel dumme Menschen mit dummen Aussagen und einmal sogar ein Esel zu Wort –bei Bileam und Balak, in 4.Mose 22 finden wir sie vereint.

Doch in vielen Fällen haben „vom Heiligen Geist getrieben die heiligen Menschen Gottes geredet“ (2Petr 1,21), und unzählige Male finden wir darin das wörtliche Reden des dreieinigen Gottes selbst aufgezeichnet. Dass wir uns bei der Frage, wie die christliche Art des Redens an der ersten Gruppe kein Beispiel nehmen sollten, dürfte wohl klar sein. Allerdings gibt es auch bei Gottes Reden und denen der Männer und Frauen Gottes, die in seinem Auftrag reden, einige Passagen, die so manchen Bibelschüler rot werden lassen.

Kraftausdrücke bei Jesus

Sicherlich, wir haben die klare Aussage Jesu aus Matthäus 5,22: „Jeder, der zu seinem Bruder sagt: Du Narr!(μωροὶ), wird dem höllischen Feuer verfallen sein.“ Gleichzeitig lesen wir aber nur acht Kapitel später, dass Jesus sich mit harten Worten an die Pharisäer und Schriftgelehrten richtet und zu ihnen sagt: „Ihr Narren (μωροὶ) und Blinde!“ (Mt 23,17).

Hat sich Jesus hier zu etwas hinreißen lassen? Steht Er selbst über dem, was Er fordert? Nein, die einzig logische Erklärung ist, dass Jesus in Matthäus 5,22 nicht das Verwenden eines Ausdrucks verbietet und unter Höllenstrafe stellt, sondern das Verhalten, das dazu führt.

In Matthäus 5 geht es darum, Dinge zu klären, die zwischen uns und anderen stehen. Jesus fordert hier Vergebungsbereitschaft und Demut – zwei Dinge, in denen niemand Jesus etwas vormachen kann – und verurteilt Hass und sündigen Zorn – zwei Dinge, die Er gegenüber den Pharisäern und Schriftgelehrten nicht empfand. Wenn du jetzt also denkst: Willst du behaupten, es wäre christlich, andere zu beschimpfen, solange man sie nicht hasst und sich im Herzen nicht gegen sie versündigt?, dann antworte ich: Ja, so ähnlich, aber nein, nicht ganz!

Unser Problem ist, dass unser Herz meist schon zu sündigem Zorn neigt, wenn wir uns zu Beschimpfungen hinreißen lassen. Die biblische Aufforderung: „Wenn ihr zürnt, dann sündigt nicht!“ aus Epheser 4,26 gehört sicherlich zu den schwierigsten Aufforderungen der ganzen Bibel. Aber auch wenn wir es nur selten befolgen, ist es doch möglich.

Kraftausdrücke bei Paulus

So ist auch zu erklären, warum Paulus, als er die Galater wegen ihres Abirrens vom Evangelium zurechtstutzt, sie als „dumm“ oder gar „idiotisch“ bezeichnet. Leider greift die deutsche Übersetzung, „O ihr unverständigen Galater“ hier für unser heutiges Verständnis viel zu kurz. Denn der griechische Begriff moropoios (μωροποιός), von dem auch das englische Wort „Moron“ („Schwachkopf“) stammt, ist sehr viel emotionaler und sollte die Galater weit mehr erschüttern als es das aufgehübschte „O ihr unverständigen“ getan hätte.

Hatte Paulus sich hier im Ton vergriffen? Ganz sicher nicht. Sein Ziel war es schließlich nicht, einfach zu beleidigen, um die Galater zu demütigen, sondern um den Ernst der Lage aufzuzeigen. Sie hatten die Gnade und den Geist Gottes erfahren und doch erwiesen sie sich plötzlich als so begriffsstutzig, dass sie das Evangelium und Jesu Opfer für weniger wert erachteten als ihre eigenen guten Werke. Sollten wir demselben Irrtum unterliegen, dann sollten wir von Glück reden, wenn uns jemand so knallhart zurechtweist, wie Paulus es hier tat.

Ohne Zweifel folgte Paulus hier dem Prinzip, das er von Jesus, seinem Herrn und Erlöser, selbst empfangen und übernommen hatte:

Kein unnützes Wort soll über eure Lippen kommen. Vielmehr soll das, was ihr sagt, gut, angemessen und hilfreich sein, damit eure Worte denen, die sie hören, Gnade vermitteln … Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästereien haben bei euch nichts verloren, genauso wie jede andere Form der Boshaftigkeit. Stattdessen geht freundlich und barmherzig miteinander um, und vergebt einander, so wie auch Gott euch in Christus vergeben hat“ (Eph 4,29-32).

Unser Reden sollte dienlich und nützlich sein

Die christliche Art zu reden zeichnet sich nicht durch Nettigkeit aus. Die Aufforderung „freundlich“ zu sein (V.32) darf nicht mit Höflichkeit gleichgesetzt werden. Denn das griechische Wort (chrestos, χρηστός) kann genauso gut mit „nützlich“ übersetzt werden. Es ist derselbe Begriff, den Paulus auch in 1Kor 15,33 benutzt: „Lasst euch nicht irreführen: Schlechter Umgang verdirbt gute (chrestos) Sitten.“ Die wenigsten würden Jesu Urteil über „den Fuchs Herodes“ oder die „Pharisäer-Heuchler“ und all das „Otterngezücht“ als „freundlich“ im Sinne von höflich bezeichnen. Doch in jedem Fall sollte es für die Zurechtgewiesenen und die umstehenden Zuhörer von Nutzen sein.

Was bedeutet dies für uns? Als Christen sollte uns bewusst sein, dass Worte immer etwas bewirken. Die Frage ist: Was? Und welches Ziel verfolgen wir mit dem, was wir sagen? Das bedeutet aber nicht, dass wir als Christen an die „Kraft positiver Worte“ glauben, sondern dass wir mit unseren Worten dienen und nützlich sein wollen.

Wenn wir also zur Frage zurückkommen, was die christliche Art des Redens ist, dann lässt sich das nicht an Worten allein messen – denn ein gottloser Mensch kann gute Dinge sagen oder bestimmtes Vokabular vermeiden, ohne dass dies etwas an seiner Gottlosigkeit ändert.

Darf ein Christ Kraftausdrücke verwenden?

Mittlerweile ist die Geschichte mit der Bibelschule schon 15 Jahre her und als dreifacher Vater gehört es jetzt zu meinen Aufgaben, auf die Wortwahl meiner Kinder zu achten und sie zu prägen und zu erziehen. Dazu gehört auch, ihnen einen gesunden Umgang mit Schimpfwörtern beizubringen. Wenn ich ihnen aber beibringen wollte, dass ein Christ niemals Scheiße sagt, hätte ich ein Problem, weil es mir selbst hin und wieder über die Lippen kommt.

Ist das in Ordnung? Nicht unbedingt. Es ist nicht in Ordnung, wenn meine Worte unkontrolliert und von Zorn und Wut beherrscht herauskommen. Denn die Frucht des Geistes ist Selbstbeherrschung (vgl. Gal 5,22). Tatsächlich gibt es aber Dinge, die so schlecht und falsch sind, dass man zurecht einen solchen Ausdruck gebrauchen kann, um dies in seiner Klarheit und Krassheit zu verdeutlichen – ähnlich wie Jesus und Paulus es mit moroi, bzw. moroipos taten.

Als Paulus in Philipper 3 seinen Lesern es so deutlich wie möglich machen will, dass im Vergleich zu Jesus alles andere nichts ist, benutzt er einen Begriff, der kaum zu übertreffen ist:

Alles, was mir Gewinn war, habe ich um Christi willen für Verlust gehalten; ja wirklich, ich halte alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck (wörtlich: Kot, Exkremente, Sch…) halte, damit ich Christus gewinne“ (Phil 3,7-8).

Wie schon gesagt, haben Worte Bedeutung und Auswirkung. Deshalb will ich lernen und auch meinen Kindern beibringen, bestimmte Worte nicht leichtfertig und „inflationär“ zu gebrauchen, sonst verlieren sie an Wert und Bedeutung oder bewirken etwas, was sie nicht sollten.

Erinnern wir uns? Als Christen sollten unsere Worte „gut, angemessen und hilfreich sein, damit sie denen, die sie hören, Gnade vermitteln“ (Eph 4,29). Wie würde sich die Art und Weise unseres Redens und Handelns ändern, wenn wir dies vermehrt unser Anliegen wäre: Den anderen zu helfen und ihnen die Gnade Gottes zu vermitteln, ihnen gegenüber „gütig, mitleidig und vergebungsbereit“ zu sein, „wie auch Gott [uns] in Christus vergeben hat“.

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