Weihnachtsbaum 1 1

Wenn Gott das Schwache erwählt – die wahre Schönheit von Weihnachten

Als ein kleiner Same begann sein Leben inmitten vieler anderer. Auf einer Wiese wurde er gepflanzt, mit der hohen Berufung, eines Tages ein Weihnachtsbaum zu werden. Tapfer und mutig streckte er seine ersten unscheinbaren Spitzen aus der Erde. Er war erwacht und wollte es auf jeden Fall zu etwa bringen. Der schönste wollte er werden. Er wollte Kinderherzen höher schlagen lassen.

Er wuchs und wuchs. Jahr um Jahr. Wurde größer und größer. Jedes Jahr, als der Wind kalt wurde und um ihn blies und vereinzelte Schneeflocken auf seinen Zweigen Platz nahmen, kamen die Menschen und bahnten sich ihren Weg durch die Bäume. Jedes Mal wenn jemand näher an ihn herankam, richtete er sich vor Aufregung in seine schönste Form auf. Freude floss bis in die entferntesten Nadeln an der Spitze.

Doch Jahr um Jahr gingen die Menschen an ihm vorüber. Jahr um Jahr schwand die Hoffnung, spätestens kurz vor dem großen Fest der Menschen. Wieder nicht geschafft. Wieder nicht ausgewählt worden. Wieder nicht gut genug gewesen.

Irgendwann hatte er dann seine Größe erreicht, die ihm alle Hoffnung nahm. So ein großer Baum passt in kein Wohnzimmer mehr. Mit der Zeit wurde er trübselig und er ließ seine Äste herabhängen. Manchen brachen sogar vor lauter Traurigkeit.

Jahr für Jahr übersehen

Hatte er sich umsonst bemüht in all den Jahren? Hatte er seine Berufung vollkommen verfehlt? Würde er irgendwann einfach gefällt und Futter für den Ofen werden, ohne je mit Kerzen geschmückt gewesen zu sein? Würde er nie in einem warmen Zimmer stehen und Mittelpunkt der großen Feier sein, nie gesehen und bewundert werden?

Eines Tages jedoch kam ein älterer, grauhaariger Mann. Er machte sich nichts aus seinem Trübsinn, seinen hängenden und unvollständigen Ästen und seinem zu hohen Wuchs. Auch machte es ihm scheinbar nichts aus, dass er schon etwas krumm geworden war. Dieser Mann kam und suchte genau diesen Baum. Er fällte ihn und nahm ihn mit.

Als er zum Haus gebracht wurde und die Familie diesen Baum sah, da war keine Freude zu sehen, sondern Entsetzen. Die Tochter fing gar zu weinen an, weil man so einen hässlichen Baum doch nicht als Weihnachtsbaum nehmen könne. Viel zu groß und krumm und kahl. Doch irgendwie schaffte er es in den Ständer und da stand er. Nach wenigen Minuten des Schreckens gewann die Familie ihn lieb. „Er ist unperfekt, so wie wir. Also passt er doch perfekt zu uns.“

Der Baum wurde ein wunderschön unperfekter, aber geliebter Weihnachtsbaum. Große, selbstgebastelte Sterne schmückten ihn und die kahlen Stellen gaben ihnen besonders viel Platz, um in ihrer Schönheit zur Geltung zu kommen.

Dieser Baum erzählt uns unsere eigene Geschichte.

Unsere Sehnsucht nach Perfektion

Wie sehr wünschen wir Menschen uns, dass alles schön und harmonisch um uns ist. Abgebrochene Zweige und krummer Wuchs passen nicht in unser Bild von Weihnachten. Im Fernsehen, in den sozialen Medien, in der Werbung, in der uns fröhliche Gesichter entgegenstrahlen. Die Familie vereint. Das Essen lecker dampfend auf dem Tisch. Die Dekoration wunderschön aufeinander abgestimmt. Wir sehen all das und wollen es genau so haben. Alles sauber, alles vorbereitet, alles gesund, alles irgendwie perfekt.

Der Baum und seine Geschichte erzählt uns eine andere Realität. Eigentlich erzählt er die wahre Geschichte. Denn unser Leben, unser Weihnachten, unsere Familien sind alles andere als perfekt.

Vielleicht sind sie wie dieser Baum in einem hoffnungslosen Zustand. Nicht mehr geeignet, nicht mehr ansehnlich, nicht mehr zu gebrauchen. Vielleicht sind sie ohne Hoffnung, vielleicht ist vieles grad in einem kahlen, leeren Zustand. Vielleicht stehen wir heute in dieser Weihnachtszeit da wie dieser vergessene Baum. Vielleicht spüren wir tief in uns die Sehnsucht nach dem, was eigentlich wichtig ist. Gesehen werden, gebraucht werden, erwählt und wiederhergestellt werden. Mit neuer Hoffnung erfüllt werden.

Je mehr ich um mich schaue, je mehr Menschen ich in dieser Zeit begegne, desto mehr spüre ich, dass Weihnachten gerade in diese gebrochenen Umstände kommt.

Dahin, wo der Ehemann an Long Covid leidet und nicht weiß, wie es weiter gehen soll mit seinen ständigen Kopfschmerzen.

Dahin, wo die Familie unter einer seltenen Krankheit des Kindes leidet, die ein normales Leben kaum mehr möglich macht.

Dahin, wo die Augen immer mehr von ihrer Kraft verlieren und eine Nachbarin im Alter von 60 Jahren langsam erblindet.

Dahin, wo einsame alte Menschen im Heim sitzen, unseren Vortragsliedern lauschen und teilweise völlig teilnahmslos vor sich hinstarren.

Dahin, wo die Freundin in der Schule weint und erzählt, dass sich die Eltern scheiden lassen.

Dahin, wo eine Krebsdiagnose völlig unerwartet ins Leben eindringt. Dahin, wo Migranten verzweifelt auf ihre Aufenthaltsgenehmigung waren und wieder ein Jahr ohne Antwort vergangen ist.

Dahin, wo eine fünf-köpfige Familie in einem viel zu kleinen Zimmer wohnt und nicht weiß, wie es weitergeht.

Dahin, wo Unfriede und Zerwürfnis herrscht. Die Tochter nicht mehr mit der Mutter redet.

Dahin, wo Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit wie gierige Hände um sich greifen, wie in den Zeltstädten von Calais, in denen junge Menschen ausharren und nichts mehr wollen, als das Meer in ein besseres Leben zu überqueren.

Ein Gott, der sich in unsere Schwäche beugt

Unser aller Leben auf dieser Erde gleicht viel mehr einem krummen und unansehnlichen Baum, als einem perfekt dekorierten Weihnachtsbaum im Einkaufstempel.

Aber ist nicht gerade das die beste Nachricht zu Weihnachten? Ist nicht gerade das die Botschaft der Bibel? Was verloren schien, das erwählte Gott! Was nicht mehr zu gebrauchen war, wurde mit neuer Hoffnung belebt!

„Was nach dem Urteil der Welt ungebildet ist, das hat Gott erwählt, um die Klugheit der Klugen zunichte zu machen, und was nach dem Urteil der Welt schwach ist, das hat Gott erwählt, um die Stärke der Starken zunichte zu machen. Was in dieser Welt unbedeutend und verachtet ist und was bei den Menschen nichts gilt, das hat Gott erwählt, damit ans Licht kommt, wie nichtig das ist, was bei ihnen etwas gilt.“ 1. Korinther 1,27-28

Ist nicht das Kommen Jesu das, was uns Hoffnung gibt in welch hoffnungslosen Umständen wir und viele andere auch immer stecken mögen? Ist es nicht das, was Weihnachten bedeutet: Nicht das Festhalten an dem Anspruch, „alles soll schön und perfekt sein“, sondern das Umarmen der Wahrheit, dass gerade da, wo es dreckig und alles andere als schön ist, Gottes helles Licht scheint – auch in mein Herz hinein, das vielleicht im Moment unaufgeräumt und unruhig ist?

Genau hierfür ist unser Retter Jesus Christus gekommen. In unsere Dunkelheit, in unsere unperfekte, kaputte Welt. Auch in meine eigene. Genau da kam er hinein. Er hat Licht und Hoffnung gebracht. Wo die Dunkelheit groß ist, scheint das Licht umso heller.

„Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein großes Licht. Die im Land der Finsternis wohnen, Licht leuchtet über ihnen. […] Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens.“ Jesaja 9,1-5

Freue dich in diesem Jahr daher nicht so sehr an dem gelungenen Fest, darüber, dass alles reibungslos geklappt hat (was natürlich ein Grund zur Freude sein darf). Freue dich vielmehr, dass auch wenn alles schiefgeht und die Not der Welt und deiner eigenen dir zu schaffen macht – genau dann sein Licht in dir scheint. Genau dann hat Weihnachten die größte Kraft, Veränderung zu schaffen! Dein Herz kommt in die Anbetung über diesen großen Gott, der arm wurde, damit wir in ihm reich werden können (vgl. 2. Korinther 8,9). Einen Gott, der Menschengestalt annahm, um uns so ganz nah zu kommen und der sich in seiner Barmherzigkeit zu uns in unsere Zerbrochenheit gebeugt und uns besucht hat.

Die wahre Schönheit von Weihnachten

Der Baum steht und leuchtet, weil er trotz aller Mängel, die er hatte, zu etwas Besonderem berufen wurde. So auch du und ich! Unser Leben und Gottes Handeln an uns darf uns und anderen Menschen Hoffnung geben. Darf eine wahre Geschichte erzählen von einem Gott, der zu uns kommt. Darf dem Weihnachtsfest neues Leben einhauchen.

Sei auch du ein Bote dieser Hoffnung in einer krummen und gebrochenen Welt.


Über die Autorin: Rahel Fröse ist verheiratet mit Danny und vierfache Mutter. Die letzten acht Jahre war sie im Missionsdienst in Albanien tätig. Sie hat es auf dem Herzen, Frauen in der Nachfolge Jesu zu ermutigen und tut dies unter anderem durch ihren Blog rahelfroese.de

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