Warum Gott vertrauenswürdig ist
Vater zu sein ist einer der tollsten Jobs, die ich mir vorstellen kann.
Man darf Menschen großziehen und prägen, die einen bedingungslos lieben und einem von Beginn an ein schier unerschöpfliches Vertrauen entgegenbringen. Natürlich ist Letzteres leider ausschließlich auf die ersten Jahre des Vaterseins begrenzt. Denn jeder – egal ob Vater oder nicht – weiß, dass entgegengebrachtes Vertrauen auch erfordert, dass man sich als zuverlässig erweist. Und hier erleben wir, dass gerade dieses anfängliche kindliche Vertrauen mit der Zeit immer mehr abnimmt, weil unsere Kinder erfahren, dass unsere Worte eben nicht zu einhundert Prozent zuverlässig sind.
Als Menschen sind wir fehlbar und begrenzt. Es gibt unterschiedliche Faktoren, die dazu führen, dass wir nicht alle unsere Versprechen einhalten. So kann es beispielsweise sein, dass wir uns überschätzen; das heißt, wir versprechen etwas und haben auch wirklich den Wunsch, dieses Versprechen zu erfüllen, stellen aber dann fest, dass wir dazu nicht in der Lage sind. Unsere menschliche Begrenztheit – sei es unsere begrenzte Kraft, finanzielle Grenzen, Krankheiten, Zeitmangel, was auch immer – macht uns einen Strich durch die Rechnung.
Es kann auch sein, dass wir ein Versprechen abgeben und es dann bereuen, weil uns die Person, der wir das Versprechen gegeben haben, enttäuscht hat oder weil sich herausstellt, das das Versprochene nicht gut oder sogar schädlich wäre.
Oder, der schlimmste Fall, wir legen unter falschem Vorwand ein Versprechen ab, mit der Absicht, es nicht zu erfüllen, weil wir uns irgendeinen Vorteil davon erhoffen. Ein extremes Beispiel davon, wie man es nicht machen sollte, sah ich kürzlich in einem Video; dort lockte ein Vater seinen Sohn ins Auto, mit dem Versprechen: „Wir fahren ins Disney-Land“, nur um ihn dann zum Zahnarzt zu bringen. Wie oft haben wir auf eine dieser genannten Weisen schon andere enttäuscht oder wurden selbst enttäuscht!
Gottes ewiges Versprechen
Die ganze Bibel ist voller Verheißungen Gottes an uns. Manche Verheißungen richten sich an die gesamte Menschheit – wie die Verheißung aus 1. Mose 8,22:
„Von nun an, alle Tage der Erde, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Manche richten sich nur an Einzelne – wie Abraham, David oder Salomo – oder an bestimmte Gruppen – wie sein irdisches Volk Israel oder sein geistliches Volk. Der Bibellehrer Dr. Everett Storms hat sich einmal die Mühe gemacht und alle biblischen Verheißungen gezählt. Er kam auf eine Summe von 8.810 göttlicher Verheißungen.
All diese vielen Verheißungen, so kostbar sie auch im Einzelnen sind, zielen auf eine große Verheißung hin, die über allen Verheißungen steht. Von dieser Verheißung spricht Paulus in Titus 1,2-3 und bezeichnet sie als die Grundlage seines Dienstes und auch als die Grundlage „des Glaubens der Auserwählten Gottes“ (V. 1). Es ist die …
„… Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten verheißen, zu seiner Zeit aber offenbart hat durch die Predigt seines Wortes.„
Die Bibel besteht nicht aus vielen unzusammenhängenden Geschichten, sondern aus einer Geschichte darüber, wie Gott schon „vor ewigen Zeiten“ eine Verheißung gegeben hat und wie er sie Stück für Stück umsetzte.
Es war sein Plan, die von Ihm abgefallene Menschheit, die seine Herrlichkeit geringschätzt, seine Liebe gehasst, seine Gnade verachtet und sein ewiges Leben gegen die Vergänglichkeit eingetauscht hat, wieder zu erlösen. Wenn man bedenkt, wozu Gott uns erschaffen und wie sehr wir uns von dieser ursprünglichen Herrlichkeit und Ehre entfernt haben – dass es von uns heißt, dass wir von Natur aus „unverständig, ungehorsam, Sklaven vielerlei Begierden und Leidenschaften, voller Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend“ sind (Tit 3,3) -, dann ist es ein unglaubliches Wunder, dass Gott noch immer zu uns redet, ja, dass Er uns sogar Verheißungen gibt!
Man könnte meinen, dass die Dauer zwischen der Verheißung Gottes und der Erfüllung etwas an der Zuverlässigkeit seiner Verheißungen geändert hätte, so als hätte sie durch das lange Warten an Bedeutung verloren. Bei uns Menschen ist dies oft der Fall.
Wenn ich meiner Frau ein Versprechen gebe, sie aber „ewig“ auf die Umsetzung warten muss, dann wird bei ihr – vermutlich zurecht – früher oder später die Frage aufkommen, ob ich mein Versprechen vergessen habe. So gab es in jeder Generation Spötter, die behaupteten, Gott habe seine Verheißungen vergessen (vgl. 2Petr 3,9). Allerdings wird immer wieder deutlich, dass Gottes Warten keine Verzögerung ist, sondern ein Zeichen seiner Gnade.
In der Zwischenzeit warteten echte Menschen mit echten Schicksalen auf die Erfüllung dieser Verheißung. Von vielen von ihnen heißt es, dass sie auf Gott vertrauten, aber „die Verheißung nicht erlangten“ (Hebr 11,39). Hatte Gott sie getäuscht?
All die oben genannten Fehlbarkeiten und Begrenzungen, die dazu führen, dass wir Versprechen nicht einhalten und Menschen enttäuschen, treffen auf uns zu, nicht aber auf Gott. Paulus nennt uns in Titus 1,2-3 eine ganz entscheidende Eigenschaft Gottes, die uns hilft, seinem Wort zu vertrauen.
Gott kann nicht lügen!
Stellen wir uns vor, wir hätten jemanden, der alles im Voraus weiß und keine seiner Entscheidungen bereut. Dieser Jemand hat nicht nur das Wissen, sondern auch die Macht, alles durchzuführen, was ihm gefällt und dessen Pläne können durch nichts und niemanden durchkreuzt werden. Es ist jemand, der uns liebt und der bereit ist, sein Versprechen einzuhalten – koste es, was es wolle! Und gerade weil er uns liebt, gibt er uns das größtmögliche Versprechen. Klingt das nicht zu schön, um wahr zu sein?
Das ist genau die Hoffnung, von der Paulus hier zu den Gläubigen spricht! Gott kann tun, wozu wir nicht fähig sind und tut niemals etwas, wozu wir leicht neigen. Gott ist allmächtig, allwissend, vollkommen weise und souverän; alles, was Er sich vornimmt, das tut er auch. Und was er tut, ist immer gut und richtig.
Aber das, wozu wir sehr leicht neigen und was sehr viel Unheil, Enttäuschungen und Misstrauen verursacht, kann Gott nicht: Er kann nicht lügen! Sein heiliger, vollkommener Charakter macht es ihm unmöglich, zu lügen, hinters Licht zu führen oder zu hintergehen.
Wir benötigen die Bibel, um Gottes Verheißungen und sein Wesen immer mehr zu kennen. Jeder Versuch, Gott durch tiefes Nachdenken oder „in sich gehen“ kennen zu lernen, führt uns auf gefährliche Wege.
Paulus schrieb seinen Brief an Titus und eine Gruppe Christen auf der Insel Kreta. Das griechische Wort für „lügen“, das Paulus hier verwendet, ist „kretizo“, wovon sich der Name der Insel Kreta ableitet.
Der Sage nach wurde der Gott Zeus auf Kreta geboren. Zeus soll häufiger gelogen haben, um seine Ziele zu erreichen. Die Gläubigen, an die der Brief in zweiter Instanz gerichtet war, wuchsen in dieser Kultur und mit diesem Gottesbild auf. Ihr Gottesbild war durch menschliche Versuche entstanden, das Göttliche, Metaphysische auf eigenem Weg zu erklären – ohne die Hilfe der Offenbarung des einen, wahren Gottes, der sich in der Schöpfung, der Geschichte und auch durch die Propheten seines Volkes offenbart hatte. Deshalb legt Paulus nun besonders großen Wert darauf, sie an die „Erkenntnis der Wahrheit„, auf die „gesunde Lehre“ (1,1; 2,1) und an die Zuverlässigkeit des einen, wahren Gottes zu erinnern, der nicht lügen kann.
Es ist seit jeher beliebt, sich ganz individuelle Vorstellungen von Gott zu machen. Ich glaube, wir versuchen dadurch, Gott persönlicher zu machen. Auch im christlichen Umfeld entstehen Aussagen wie: „Ich stelle mir Gott lieber so vor …“ Wir haben es nicht nötig, unser Gottesbild und unsere Erwartungen von Gottes Wort abzuleiten und nicht von persönlichen Vorstellungen. Solche persönlichen Vorstellungen von Gott helfen uns nicht weiter und werden uns letztendlich enttäuschen.
Gott hält sein Wort
Gott hat „zu seiner Zeit“ seine Verheißungen erfüllt (Tit 1,3). Er hatte von Anfang an einen festgesetzten Zeitpunkt, und alles in der Geschichte führte darauf hin.
„Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Gal 4,4).
„Als die Güte und Menschenliebe unseres Retter-Gottes erschien, rettete er uns … nach seiner Barmherzigkeit“ (Tit 3,4-5).
All die Männer und Frauen, die bis zuletzt auf die Erfüllung dieser Verheißung gewartet hatten, durften sie letztendlich auch erleben und „Erben nach der Hoffnung des ewigen Lebens“ sein (Tit 3,7; vgl. Hebr 11,16).
Es scheint manchmal so, als würde unsere Erfahrung im Widerspruch zu Gottes Verheißungen stehen. Dann ist es wichtig, dass wir eher unseren Erfahrungen und Erwartungen misstrauen – und gegebenenfalls unser Verständnis von Gottes Wort hinterfragen – anstatt Gottes Wort. Dietrich Bonhoeffer sagte:
„Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.“
Wer sein Gottesbild durch die Bibel prägen lässt und seine Erwartungen auf die biblischen Verheißungen Gottes gründet, der kann im Vertrauen auf Gottes Liebe, Gnade, Allmacht und Zuverlässigkeit ruhen, auch wenn die äußeren Umstände uns belasten und zu erdrücken scheinen.
Momentan leben wir in einer Phase mit sehr vielen Enttäuschungen. In den letzten zwei Jahren wurden viele Versprechungen von vielen Seiten gemacht, die sich nicht erfüllten. Alle fragen sich, wie lange es mit dieser Corona-Situation noch weitergeht.
Wir sind aber nicht die Ersten, die solch eine Krise durchmachen. Was wir brauchen ist Zuversicht, Hoffnung und eine Aussicht, die uns Kraft zum Durchhalten gibt, die sich aber vor allem als zuverlässig erweist. Vertraue daher auf Gottes Verheißungen und auf die Zuverlässigkeit seines Wortes und seines Wesens.
Alle, die durch Gottes Gnade gerechtfertigt und Erben dieser Hoffnung sind, hat Gott in seiner Gnade auch dazu erlöst, ein „besonnenes, gerechtes und gottesfürchtiges Leben“ in der hoffnungsvollen Erwartung der Wiederkunft Jesu zu führen (Tit 2,12). Wenn er wiederkommt, wird sich Gottes große Verheißung erfüllen und das ewige Leben für alle Gläubigen aus allen Zeiten sichtbar werden.
Je älter meine Kinder werden, umso häufiger erleben sie, dass das Wort ihres irdischen Vaters nie zu einhundert Prozent zuverlässig ist. Ich werde zwar immer bemüht sein, ihnen meine Liebe zu zeigen, aber ich werde auch immer in der Gefahr stehen, sie zu enttäuschen.
Meine größte Zuversicht und Verantwortung besteht darin, sie immer wieder auf den himmlischen Vater hinzuweisen, dessen Versprechen unfehlbar sind und auf dessen Worte immer Verlass ist. Andererseits möchte aber auch ich von meinen Kindern lernen, auf ihre schier unerschöpfliche Weise auf Gott zu vertrauen, wo er doch alles weiß, alle Macht besitzt und mir in Christus seine Liebe bewiesen hat. Möge Gott uns die Kraft geben, dass wir fest auf sein Wort vertrauen und – trotz all unseres Versagens – danach handeln, sodass auch andere erfahren und erleben, dass Gottes Wort vollkommen zuverlässig ist und es eine sichere Hoffnung auf ewiges Leben gibt.
© Benjamin Schmidt