Vorsätze

Ich habe keine Vorsätze!? Der Säkulare Ersatz für Vorsätze

„Ich habe keine Vorsätze!“, hört man heute oft. Hanniel Strebel zeigt auf, dass jeder Mensch nach etwas strebt und was dies mit uns macht.


Die Standardantwort eines säkularisierten Westlers lautet: „Ich habe keine Vorsätze, weil ich keine brauche.“ Mit säkularisiert meine ich: Im Denken und Handeln von der Voraussetzung ausgehend, dass er ohne einen persönlich-unendlichen Gott auskommen könne. Gleichzeitig bezieht er diese Antwort nur auf sein privates Leben. Für den öffentlichen Bereich gelten andere Spielregeln. Im Unternehmen, in dem er arbeitet, gibt es Ertrags- und Umsatzziele ebenso wie Budgetziele, die eingehalten werden müssen. Von der Erreichung hängt nicht nur der Bonus, sondern auch die langfristige Stabilität des Betriebes ab.

Ich begründe in diesem Beitrag folgende These: Jeder Mensch ist von seinem Schöpfer mit einem Begehren ausgestattet worden. Wenn dieses Streben nicht auf Ihn selbst ausgerichtet ist, dann zielt sie auf einen Ersatz. Deshalb lebt gerade der Westler, der ohne Vorsätze auszukommen meint, in geradezu sklavischer Abhängigkeit von seinem Begehren. Je unbewusster dies geschieht, desto mächtiger geraten seine Wünsche.

Aus didaktischen Gründen gliedere ich die Erfüllung des Begehrens in sieben Schritte innerhalb eines Kreislaufs. Diesen Zyklus beobachte ich sowohl bei nicht erlösten Menschen als auch bei solchen, die zwar über ein christliches Bekenntnis verfügen, deren Lebensgewohnheiten (noch) nicht erneuert worden sind. Bei der Beschreibung der einzelnen Schritte greife ich auf die Geschichte Israels zurück. Sie dient uns zur Instruktion, wie Paulus der Gemeinde in Korinth schrieb: „Diese Dinge aber sind zum Vorbild für uns geschehen, damit wir nicht nach dem Bösen begierig werden, so wie jene begierig waren“ (1Kor 10,6).

Sieben Schritte des falschen Begehrens

  1. Lücke
  2. Drang zum Ausgleich
  3. Einladung zur falschen Befriedigung
  4. Zügelloses Ausleben
  5. Schmerzen
  6. Wegwerfen
  7. Verfestigte Eigenliebe

Schritt 1: Lü cke

Seit dem Sündenfall lebt jeder Mensch in einer Lücke zwischen Soll- und Ist-Zustand. Er spürt untergründig eine Unausgeglichenheit. Er ist nicht mehr in ungestörter Gemeinschaft mit Dem, der ihn geschaffen hat. Diese äußert sich in einer Grundunruhe. Sie bringt den Menschen in Bewegung. Das eindrücklichste Beispiel dafür ist Kain (nachzulesen in 1. Mose 4). Nachdem Kain seinem sündigen Verlangen nachgegeben hatte (vgl. 1Mo 4,7), kündigte ihm der Allmächtige Unstetigkeit und Flüchtigkeit an (vgl. 1Mo 4,9). Kain wendet sich vom Angesicht des Herrn weg (vgl. 1Mo 4,16) – und ist enorm „erfolgreich“ (vgl. 1Mo 17-24). Seine Nachkommen entwickeln Zelt- und Städtebau, Herden- und Viehzucht, Musikinstrumente und Werkzeuge. Damit erfüllen sie den Auftrag zur Entw icklung der Schöpfung (vgl. 1Mo 2,15). Die Tätigkeit mündet jedoch in das weltweite Gericht durch die Sintflut; der Grund dafür war das böse Herz des Menschen (vgl. 1Mo 6,5).

Schritt 2: Drang zum Ausgleich

Die grundsätzliche Unausgeglichenheit staut sich an und drängt zum Ausgleich. Ein warnendes Beispiel dafür ist König Ahab (nachzulesen in 1Kön 21). Er wollte einen Weinberg bekommen, weil er nahe seinem Haus lag. Als er ihn vom Eigentümer nicht bekam, der dessen Ansinnen zu Recht zurückwies, wurde er missmutig und zornig. „Er legte sich auf sein Bett, wandte sein Angesicht ab und aß nichts“ (1Kön 21,4). Seine götzendienerische Frau kannte den unausgeglichenen Zustand ihres Mannes genau und schlug ihm vor, die Sache selbst an die Hand zu nehmen. „Zeige jetzt, dass du König über Israel bist! Steh auf und iss etwas und sei guten Muts! Ich will dir den Weinberg … beschaffen“ (vgl. 1Kön 21,7) In gewissem Sinn gleicht die Aufforderung zum sofortigen Ausgleich der Dauerbeschallung durch die Werbung.

Schritt 3: Einladung zur falschen Befriedigung

Als Gottes Volk unterwegs ins verheißene Land war, bekam es vorab Anweisungen für die kommende Zeit. Darunter fand sich die (wiederholte) Warnung, nicht auf die Angebote der Bevölkerung einzusteigen. „Dass du nicht etwa einen Bund schließt mit den Einwohnern des Landes, und sie, wenn sie ihren Göttern nachhuren und ihren Göttern opfern, dich einladen und du dann von ihrem Opfer isst“ (2Mo 34,15) Aus Gottes Perspektive beginnt die falsche Befriedigung durch einen Bundesschluss! Dieser ersetzt den exklusiven Bund mit Jahwe. Äußerlich vollzog sich dieser Bundesschluss durch die Einladung zum Götzenfest. Genau dies wird nur wenige Jahre später Realität – und zwar bevor das Volk im Land ankam. „Und Israel ließ sich in Sittim nieder; und das Volk fing an, Unzucht zu treiben mit den Töchtern der Moabiter, und diese luden das Volk zu den Opfern ihrer Götter ein. Und das Volk aß [mit ihnen] und betete ihre Götter an“ (4Mo 25,1-2). Jakobus beschrieb es so:

„Jeder Einzelne wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde gereizt und gelockt wird. Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.“

Jakobus 1,14-15

Schritt 4: Zügelloses Ausleben

Aus einem anderen Schlüsselmoment in der Geschichte Israels erkennen wir beispielhaft, was die Folgen eines ungehinderten Auslebens von Bedürfnissen sind. „Da standen sie am Morgen früh auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Friedensopfer; und das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um sich zu belustigen“ (2Mo 32,6). Der Einsatz an Mitteln war gewaltig! Nicht nur hatte das Volk den Schmuck, den sie aus Ägypten mitgenommen hatten, bereitwillig für diese wilde Party hingegeben. Sie brachten zahllose Tiere zum Opfern. Der Zweck wird ebenfalls angegeben: Es ging darum sich zu belustigen. Mose stellte kurze Zeit später fest:

„Mose sah, dass das Volk zügellos geworden war — denn Aaron hatte ihm die Zügel schießen lassen, seinen Widersachern zum Spott …“

2. Mose 32,25

Diese bildhafte Beschreibung passt haargenau auf den Zustand der Befriedigung: Die durchbrochene Selbstbeherrschung führt zu einem (mehr oder weniger) hemmungslosen Ausleben des aufgestauten Begehrens.

Schritt 5: Schmerzen

Nach dem Versprechen von Gottes Gegenspieler Satan würde dieser Zustand des erfüllten Begehrens zu einer dauerhaften Befriedigung werden (vgl. 1Mo 3,5.7). Zwar wurden den Sündern schon im Paradies die Augen geöffnet. Doch diese geöffneten Augen führten in einen ganz anderen Zustand, nämlich in die Ernüchterung. David bringt dies meisterhaft in seinem Lied auf den Punkt, in dem er gerade die „Fülle von Freude“ desjenigen beschreibt, der die wahre Stillung seiner Bedürfnisse von Seinem Schöpfer erwartet. „Zahlreich werden die Schmerzen derer sein, die einem anderen [Gott] nacheilen“ (Ps 16,4). Jeder, der aus einem (übertragenen oder echten) Rauschzustand erwacht, ereilt sofort das Gefühl des Katers. Salomo stellt die rhetorischen Fragen:

„Wer hat Ach und wer hat Weh? Wer hat Streit? Wer hat Klage? Wer hat Wunden ohne Ursache? Wer hat trübe Augen? Die, welche spät aufbleiben beim Wein, die einkehren, um Würzwein zu kosten! Schau nicht darauf, wie der Wein rötlich schimmert, wie er im Becher perlt! Er gleitet leicht hinunter; zuletzt aber beißt er wie eine Schlange und sticht wie eine Otter!“

Sprüche 23,29-35

Allerdings führt diese Ernüchterung nicht zur Umkehr, sondern zur Wiederholung der Handlung und Steigerung der Dosis. „Wann werde ich aufwachen? Ich will es weiter so treiben, ich werde ihn (den Wein) wieder aufsuchen!“ (Spr 23,35)

Schritt 6: Wegwerfen

Ich beobachte nach der Ernüchterung noch eine weitere Folgehandlung. Manche Menschen kommen zum Schluss, dass ihnen ihre bisherige Umgebung nicht den gewünschten Nutzen gebracht habe. Unfähig zu erkennen, dass der Trugschluss aus ihrem eigenen Herzen stammt, weisen sie ihrem Umfeld die Schuld zu: Der Arbeit, der Herkunftsfamilie oder dem Partner. Wenn der aktuelle Götze nichts mehr taugt, muss der nächste her. Ich nenne diesen Vorgang den „Götterwechsel“. Jeremia beschreibt in seiner ersten Anklage genau diesen Punkt:

„Hat je ein Heidenvolk die Götter gewechselt, die doch nicht einmal Götter sind? Aber mein Volk hat seine Herrlichkeit vertauscht gegen das, was nicht hilft!“

Jeremia 2,11

Die Völker, so stellte er entsetzt fest, blieben wenigstens ihren nationalen Göttern treu. Das Gottesvolk vollzog jedoch den schlechtesten Tausch, den es geben konnte. „Denn mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen: Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!“ (Jer 2,13) Jeremia rief deshalb aus: „Wo sind denn deine Götter, die du dir gemacht hast? Sie sollen sich aufmachen, wenn sie dich retten können zur Zeit deines Unglücks! Denn so viele Städte du hast, Juda, so viele Götter hast du auch!“ (Jer 2,28).

Schritt 7: Verfestigte Eigenliebe

Einer meiner Söhne las kürzlich den „Lasterkatalog“ aus 2. Timotheus 3 und meinte: „Papa, das könnte man eins zu eins auf Europa anwenden.“ Die Aufzählung beginnt mit den Worten: „Denn die Menschen werden sich selbst lieben … (2Tim 3,2) Das Resultat der permanenten Bedürfnisbefriedigung raubt dem Menschen jede Energie, die auf Gott und den Nächsten gerichtet ist. Er hat keine Zeit, keine Kraft und kein Geld mehr, um an andere zu denken. Manche Menschen stecken ihre Ressourcen, nachdem sie von anderen Menschen enttäuscht worden sind, in Tiere. Scheinbar bekommen sie nur von den Vierbeinern das, was sie sich wünschen.[1]

Umkehr

An diesem Punkt fühle ich mich selbst als Autor im Elend. Wir stehen doch am Anfang eines neuen Jahres! Wolltest du nicht ermutigen? Halten wir zunächst fest: Ohne Einsicht in den Kreislauf der Vorsätze keine Erkenntnis der Notwendigkeit einer Veränderung. So erging es auch dem feinfühligen Propheten Jeremia. Nachdem er das Elend des Götzenwechsels aufgezeigt hatte, setzte die tröstliche Botschaft ein.

„Kehrt um, ihr abtrünnigen Kinder! Ich will eure Abtrünnigkeit heilen! — »Siehe, wir kommen zu dir, denn du bist der HERR, unser Gott. Wahrlich, die Höhen haben uns betrogen, das Lärmen auf den Bergen; wahrlich, bei dem HERRN, unserem Gott, steht das Heil Israels! Aber die Schande hat den Erwerb unserer Väter verzehrt von unserer Jugend an, ihre Schafe und ihre Rinder, ihre Söhne und ihre Töchter; wir müssen in unserer Schande daliegen, und unsere Schmach bedeckt uns; denn wir haben an dem HERRN, unserem Gott, gesündigt, wir und unsere Väter, von unserer Jugend an bis zu diesem Tag, und wir haben nicht gehört auf die Stimme des HERRN, unseres Gottes!“

Jeremia 3,21-25

Der Allmächtige rief zur Umkehr. Die Antwort war das Eingeständnis, dass der bisherige Lebensstil ein Selbstbetrug war und die Substanz verzehrt hatte. Jeremia rief deshalb: „Pflügt einen Neubruch und sät nicht unter die Dornen! Beschneidet euch für den HERRN und beseitigt die Vorhaut eurer Herzen“ (Jeremia 4,3-4). Diese Handlung ist mit keiner Selbstoptimierung möglich. Sie wird nur durch Den ermöglicht, der um unsertwillen arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden (vgl. 2Kor 8,9). Wir können diesen Herrschaftswechsel nicht an uns selbst vollziehen. Dafür ist unsere Bankrotterklärung nötig.

Wie wird das Begehren erneuert?

Vielleicht fragen sich jetzt einige, wie denn das Begehren erneuert werden kann. Hier sind einige Hinweise:[2]

  • Demut: Ich will hören, was bei mir schief läuft, auch wenn es das ist, was ich befürchtet habe.
  • Ehrlichkeit: Konfrontiere dich mit deinen inneren Ausreden nichts zu ändern.
  • Keine Schnellstraße: Erwarte nicht, dass du durch schnelle Tipps verändert wirst.
  • Täglicher Kampf: Kämpfe über Monate vor Gott um die Erneuerung täglicher Gewohnheiten.

Für den Kampf der Erneuerung der Gewohnheiten hat der Herold-Verlag einen Tischaufsteller „Ich möchte …“ konzipiert.

Fragen zur Selbstprüfung

  • Hast du für dich das Motto „Ich habe keine Vorsätze, weil ich keine brauche“ übernommen? Wann wurde dies zu deinem Leitsatz? Steckt gar eine Enttäuschung dahinter?
  • Wonach strebst du? Wie würden deine Mitmenschen die Frage beantworten, wohin es dich zieht?
  • Versuche die sieben Schritte auf einen Kreislauf des eigenen falschen Begehrens anzuwenden. Was fällt dir auf, wenn du mit diesem Modell auf deine Haltung und Handlungen blickst?
  • Gab es diese grundsätzliche Umkehr, wie sie Jeremia 3,21-25 beschreibt, überhaupt? Wann bist du zuletzt willentlich und bewusst umgekehrt?
  • Welche tägliche Gewohnheit schreit nach Erneuerung, um im neuen Leben zu wandeln (vgl. Röm 6,4)?

[1] Ausführlicher habe ich die gesellschaftlichen Auswirkungen der Eigenliebe in meiner Podcastserie „Die Liebe ist erkaltet“ beschrieben.

[2] Eingehend habe ich dies in meiner Blogserie „Warendorfer Nachgedanken“ erläutert.



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