Gottesdienst

Interessiert es Gott, was ich im Gottesdienst trage?

Meine Geschichte lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Ich bin in Australien geboren und auch dort aufgewachsen. Schon als Teenager habe ich zu Jesus gefunden und war von da an ein festes Gemeindemitglied in einer jungen Campus-Gemeinde. Unser Pastor und Gemeindegründer war Amerikaner. Das ist ein wichtiges Detail. Warum? Weil ich Jahre später seine Tochter geheiratet habe. Und weil es der Hintergrund für einen lustigen Fauxpas ist, der sich einmal abgespielt hat und mit dem ich meine Erläuterung über Kleidung im Gottesdienst starten will.

Zuvor solltet Ihr aber wissen, dass Flip-Flops in Australien „Thongs“ genannt werden. Allerdings sind „Thongs“ in Amerika ein anderes Wort für G-Strings. (Wer nicht weiß, was G-Strings sind, sollte besser nicht googlen! Es handelt sich dabei um Damenunterwäsche mit sehr wenig Stoff!) Und genau diese Tatsache, dass sich australische Flip-Flops denselben Namen mit amerikanischer Damenunterwäsche teilen, hat mich einmal vor eine ziemlich peinliche Situation gestellt.

Während ich noch in Australien lebte, besuchte uns ein Pastorenehepaar aus Amerika. Als wir sie zum Essen einluden, kam die Frage auf, wie leger sie sich denn für das abendliche Dinner kleiden dürften, zu dem auch ein paar Jugendliche eingeladen waren. Meine Antwort war: „Kleidet Euch ganz leger, die Jungs tragen alle ‚Thongs‘!“ – womit natürlich „Flip-Flops“ gemeint waren. Die erschrockenen Gesichter der amerikanischen Besucher zeigten mir, was ihnen gerade durch den Kopf ging: Männer in G-Strings. Hier bestand dringend Klärungsbedarf!

Ich bin froh, dass ich niemals einer Gemeinde angehörte, in der man solchen Herausforderungen ausgesetzt ist. Allerdings habe ich schon Reaktionen erlebt und auch von solchen gehört, bei denen man meinen könnte, jemand sei in Unterwäsche im Gottesdienst erschienen. Die Frage, in welchem Aufzug man sonntags zum Gottesdienst kommen darf, scheint für viele ein sehr ernstes Thema zu sein. Besonders in einer Zeit, in der immer häufiger kulturelle Konflikte auftreten, können wir es uns als Christen nicht leisten, auf den falschen Schlachtfeldern zu kämpfen. Was können wir also zu diesem Thema sagen? Ist Kleiderordnung im Gottesdienst vielleicht ein Schlachtfeld, auf dem es sich zu sterben lohnt? Dieser Frage gehen wir jetzt mal nach.

Sind alle Unklarheiten beseitigt?

Um (hoffentlich) für etwas Klarheit zu sorgen, möchte ich einen Bibelvers zitieren, der sehr oft als Argument gegen legere Kleidung im Gottesdienst angeführt wird. Er steht im Alten Testament, in 2.Mose 19,10-11:

Und der HERR sprach zu Mose: Geh zum Volk und heilige sie heute und morgen! Und sie sollen ihre Kleider waschen, damit sie für den dritten Tag bereit sind.“

Kurz zum Hintergrund des Verses sei gesagt, dass Israel sich gerade am Berg Sinai befand und sich darauf vorbereitete, die Zehn Gebote in Empfang zu nehmen. Zu diesen Vorbereitungen gehörte es auch, dass sie sich und ihre Kleidung waschen sollten. Das war eine rituelle Waschung, um die Notwendigkeit ihrer inneren Reinigung als Zeichen der Heiligung vor dem heiligen Gott auszudrücken. Der Berg, auf dem Mose die Zehn Gebote von Gott erhielt, durfte von niemand anderem berührt werden. Wer es doch tat, musste sterben. Im Neuen Testament, in Hebräer 12, wird dieses Ereignis dann aufgegriffen; allerdings weist der Hebräerbrief hier auf einen ganz deutlichen Kontrast zu dem Ereignis am Berg Sinai hin. Dort steht:

„Denn ihr seid nicht zu etwas gekommen, das man anfassen kann, zu einem lodernden Feuer, zu Finsternis und Dunkelheit und Sturm … sondern ihr seid zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes gekommen, dem himmlischen Jerusalem, und zu Scharen von Engeln, einer Festversammlung.“

Der Kontrast besteht darin, wie und auf welche Weise die Heiligung und die Verbindung mit dem heiligen Gott verdeutlicht wurden. Im Alten Testament geschah es durch sichtbare und greifbare Elemente, durch Symbole. Aber jetzt, in unserer Zeit, geschieht es durch unsichtbare, geistliche Dinge, die aber trotzdem völlig real sind. Im Grunde liefert uns Hebräer 12 deutliche Aussagen, die uns zeigen, dass 2.Mose 19,10 absolut nicht geeignet ist, um es auf unsere heutige Gottesdienstpraxis oder Kleiderordnung anzuwenden.

Was sagt die Bibel über Kleiderordnung im Gottesdienst?

Wir müssen akzeptieren, dass die Bibel so gut wie gar nichts über Kleidung im Gottesdienst sagt. Es gibt generelle Anweisungen darüber, dass wir bescheiden sein sollen (vgl. 1Petr 3,3-5). Aber in diesen Versen geht es nicht um Gottesdienstversammlungen oder das Gemeindeleben im Speziellen, sondern um das ganze Leben als Christ. Und das ist sehr wichtig! Es zeigt uns, dass wir etwas so Wichtiges wie Bescheidenheit immer an den Tag legen sollten, und zwar im Gottesdienst nicht mehr und nicht weniger als außerhalb.

Aber es gibt noch etwas Wichtiges zu beachten: Denn manchmal berührt die Bibel ein Thema und könnte dann sehr viel dazu sagen, tut es aber nicht! Wie in Bezug auf Kleidung. In Nehemia 8, wo das Volk in einer Art Gottesdienst zusammenkommt, um auf Gottes Gesetz zu hören, wird kein Wort über Kleidung verloren. Es geht einzig und allein um die Heiligkeit der Feier! Und in 1.Korinther 11, wo Paulus ganz direkt vom Gottesdienst und vom Verhalten der Männer und Frauen in der Gemeinde spricht, sagt er an keiner Stelle etwas über die Art und Weise, wie sie sich kleiden sollen. Und in Jakobus 2 finden wir dann abschließend „feine Kleidung“ erwähnt; allerdings nicht als positives Beispiel, sondern als Warnung, weil Jakobus darin eine Gefahr für Lieblosigkeit, Menschenvergötterung und Spaltung sieht. Deshalb fordert er die Gläubigen dazu auf, alle Gottesdienstbesucher gleich zu behandeln, ganz egal wie sie gekleidet sind.

Sollte Kleidung wirklich einen Unterschied machen?

Um ehrlich zu sein finde ich es völlig okay, wenn die einen legere Kleidung tragen, während andere sich eher formell anziehen. Junge wie alte Menschen können je nach Geschmack schick oder aber weniger schick angezogen sein. Oder nehmen wir Menschen mit höherem Einkommen; sie könnten sich doch genauso leger kleiden wie andere auch, oder dürfen sich kleiden, wie es ihnen gefällt. Warum aber auch nicht abwechselnd? Eine Woche schick, eine Woche leger! So machen wir es als Familie. An manchen Sonntagen, an denen ich predige, trage ich Anzug, während ich an anderen Tagen Jeans bevorzuge – beispielsweise dann, wenn ich den Gebetsteil im Gottesdienst leite. Mir ist vor allem wichtig, was wir damit kommunizieren. Wir möchten, dass Kleidung ein sehr untergeordnetes Thema ist, denn entscheidend ist das, was Gott wichtig ist: unsere Herzen (vgl. 1Sam 16,7).

Mir gefiel sehr gut, was Clarissa Moll in einem Artikel bei Gospel Coalition über dieses Thema schrieb. Sie erzählt dort, wie sie ihren Kindern den Auftrag gab, „das Beste für Jesus anzuziehen“, was sie finden konnten. Als Clarissa wenige Minuten später ihren Sohn in seinem Lieblings-Footballanzug auf der Treppe stehen sah, wollte sie ihn zuerst wieder zurück schicken. Aber dann freute sie sich, weil sie wusste, dass er genau das umgesetzt hatte, was sie von ihm verlangt hatte.

Bei jemand anderem kann dieses Prinzip ganz anders aussehen. Zum Beispiel, indem er sich einen besonders schönen Anzug anzieht. Vielleicht auch, indem ein älterer Mensch sich leger kleidet, damit er besser mit den jungen Menschen ins Gespräch kommt. Oder umgekehrt, wenn sich ein jüngerer Mensch formeller kleidet, um dadurch einen besseren Zugang zu den älteren Menschen zu haben. Keine dieser Kleidungsformen steht im Widerspruch zum Evangelium – ganz im Gegenteil. Das sollten ganz besonders die Pastoren unter uns ständig im Hinterkopf behalten, da sie einerseits Vorbilder sind und andererseits genauso Glieder am Leib Christi wie alle anderen auch (vgl. 1Kor 12).

In Offenbarung 19,8 wird uns gesagt, dass Jesus nicht auf unsere äußerliche Kleidung achtet, sondern auf unsere gerechten Taten. Wörtlich heißt es: „Die gerechten Taten der Heiligen sind das feine Gewand der Braut [die Gemeinde].“ Mit jeder aus Liebe motivierten Tat entscheiden wir also darüber, was wir vor Gott tragen – ganz gleich, ob wir nach außen hin leger oder formell gekleidet sind. Denke also immer daran: Es zählt allein, wie Jesus dich sieht!


© Bruce Lowe @ reformation21. Die Wiedergabe erfolgte mit freundlicher Genehmigung. Der Original-Artikel kann hier gelesen werden: reformation21.org

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