Die Landnahme Kanaans – 4 Dinge, die du darüber wissen solltest
„Nach fünfunddreißig Jahren religiöser Studien bin ich nur auf zwei harte, unbestreitbare Fakten gestoßen: Es gibt einen Gott, und ich bin nicht er.“ – so sagte Pater John Cavanaugh, ehemaliger Präsident der Universität von Notre Dame, zu Daniel „Rudy“ Rüttiger in dem Film Rudy aus dem Jahr 1993.
Ich störe mich ein wenig an diesem Zitat, da uns das Studium der religiösen Wahrheit zu viel mehr unumstößlichen Fakten über den Gott der Bibel und den Herrn Jesus Christus führen sollte. Dennoch gefällt mir die Schlussfolgerung des Priesters: „Es gibt einen Gott, und ich bin nicht er.“ Knapper kann man eine der Kernwahrheiten der Bibel – die Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf – kaum formulieren.
Wir sind Gott insofern ähnlich, dass wir ihn wahrhaftig erkennen können. Und doch sind wir ihm so unähnlich, dass er Fähigkeiten und Privilegien hat, die wir niemals besitzen können. Er ist das Leben selbst und empfängt es von niemandem (Ex 3,14). Wir hingegen beziehen unser Leben von ihm. Er ist der Gesetzgeber, der uns richten kann. Wir können ihn nicht richten. Er ist der souveräne und gute König der Schöpfung und hat das Recht, nach seinem Belieben mit dem zu verfahren, was er geschaffen hat (vgl. Röm 9,1–24).
Es ist wichtig, diese Grundsätze im Hinterkopf zu behalten – insbesondere, wenn wir biblische historische Berichte wie die Eroberung Kanaans durch die Israeliten lesen. Viele Menschen außerhalb der Kirche nutzen diese Geschichte, um den Gott der Bibel als völkermordenden Wahnsinnigen zu bezeichnen. Gleichzeitig fällt es vielen Menschen innerhalb der Kirche schwer, diese mit der Liebe Gottes in Einklang zu bringen.
Der begrenzte Umfang der Landnahme Kanaans
In 5. Mose 20,16–18 steht, was die Israeliten mit den Einwohnern des verheißenen Landes machen sollten: „Anders ist es bei den Städten der ´kanaanitischen` Völker, ´deren Gebiet` der HERR, euer Gott, euch zum bleibenden Besitz geben will. Dort dürft ihr weder Menschen noch Tiere am Leben lassen.“ Israel sollte alle Bewohner Kanaans töten – Menschen wie Tiere. Es sind Texte wie dieser, die einige dazu veranlassen, zu behaupten, der Gott der Bibel würde einen Genozid anordnen.
Wir müssen jedoch bedenken, dass die Anweisung Gottes, die Kanaaniter umzubringen, weder rassistisch noch kulturell motiviert war. Der HERR befahl Israel nie, die Kanaaniter aus dem verheißenen Land auszurotten, weil sie einer anderen Rasse angehörten.
Darüber hinaus befahl Gott den Israeliten nicht, diejenigen Kanaaniter zu verfolgen, die außerhalb der Landesgrenzen des verheißenen Landes flohen. Gottes Ziel war es nicht, ein Volk aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit auszurotten. Er wollte sie aus dem Land vertreiben. Die Kanaaniter hatten also die Möglichkeit, außerhalb der Grenzen zu fliehen und dort in Sicherheit zu leben. Deutlich wird dies auch daran, dass sich Rahab, die ethnisch gesehen eine Kanaaniterin war, zum Gott Israels bekehrte und verschont wurde (vgl. Jos 2; 6,25).
Ein echter Völkermord zielt darauf ab, ein ganzes Volk auszulöschen – selbst wenn es in ein anderes Land flieht – und verschont niemanden. Bei der Vernichtung der Kanaaniter war der Umfang auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt. Man konnte dem Schwert Israels entkommen, indem man floh oder sich von der Sünde abwandte und dem einen wahren Gott vertraute. Demnach hatte Gott keinen Völkermord angeordnet.
Die Gerechtigkeit der Landnahme Kanaans
Es ist wahrscheinlich, dass die meisten Menschen, die die moralische Rechtfertigung der Eroberung infrage stellen, dies tun, weil sie nicht wissen, wie das Land Kanaan aussah, als Israel einmarschierte. Offenbar glauben viele, die Kanaaniter seien den modernen Westlern ähnlich gewesen, ihre Technologie vielleicht weniger fortschrittlich, aber im Allgemeinen seien sie gesetzestreue Bürger und angenehme Nachbarn gewesen. Daher erscheint der Befehl, sie auszurotten, als Affront gegen die Gerechtigkeit.
Die Kanaaniter waren jedoch keine „gewöhnlichen“ Sünder. In 3. Mose 18 finden wir eine Liste verbotener Praktiken, vor denen sich Israel hüten sollte. Dazu zählen Inzest, Ehebruch, Homosexualität, Sodomie und Menschenopfer (V. 1–23). Dann heißt es, dass Gott die Kanaaniter wegen dieser Bosheit vertrieb und dass die Israeliten das Land ebenfalls verlieren würden, wenn sie in solche Sünden verfallen würden (V. 24–30). Die Kanaaniter billigten und praktizierten grausame Sitten. Sie verbrannten ihre Kinder als Opfer für den Gott Moloch, betrieben kultische Prostitution und jede andere Form der sexuellen Unmoral – und das mutwillig und unbußfertig. Sie hatten die Strafe der Vernichtung durch ihren vollkommen heiligen Schöpfer mehr als verdient.
Gottes Geduld und die Landnahme Kanaans
Die Landnahme Kanaans zeigt uns sowohl Gottes Gerechtigkeit als auch seine Geduld. Bereits lange bevor er die Israeliten nach Kanaan schickte, erzählte Gott Abram von dem kommenden Gericht über die Amoriter – ein anderer Name für die Kanaaniter – und erklärte, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen sei, „denn im Moment hat die Schuld der Amoriter, ´die jetzt dieses Land bewohnen`, ihr volles Ausmaß noch nicht erreicht“ (1 Mo 15,12–16).
Gott hat seine Entscheidung, die Kanaaniter zu vernichten, nicht leichtfertig oder übereilt getroffen. Er war äußerst geduldig mit ihnen und gab ihnen Hunderte von Jahren Zeit, sich zu bessern. Gott handelt nicht voreilig, sondern ist langmütig und zögert seinen Zorn bis zur rechten Zeit hinaus. Die Kanaaniter fanden ihr Ende, weil sie sich auf die Geduld des Herrn verließen und nicht erkannten, dass sein Aufschub ihnen Zeit zur Umkehr geben sollte (Röm 2,4).
Die Errettung und die Landnahme Kanaans
Die Vernichtung vieler, aber nicht aller Kanaaniter war kein Selbstzweck, sondern diente der Errettung der Welt. Von Ewigkeit her hatte Gott die Absicht, einen Retter zu senden, der in der Fülle der Zeit kommen und sterben würde, um sein Volk zu erlösen (Röm 5,6; Gal 4,4-5; Eph 1,10). Es gab eine genau richtige Zeit dafür, doch in den Tagen unmittelbar nach dem Exodus und der Wüstenwanderung, bevor Israel in Kanaan einzog, war diese Zeit noch nicht gekommen. Da der Messias aber aus dem Volk Israel, speziell aus dem Stamm Juda, kommen sollte (1Mo 49,10), musste dieses Volk als heiliges Volk bewahrt werden, bis die von Gott bestimmte Zeit für den Erlöser gekommen war.
Die Vertreibung der Kanaaniter und ihrer Bosheit war ein Mittel, um eine heilige Linie in Israel zu bewahren, bis der Messias geboren wurde. Gott befahl seinem Volk, die Kanaaniter aus dem verheißenen Land zu vertreiben, damit es nicht durch deren Sünden verdorben und dadurch selbst vernichtet würde (vgl. Deut 20,16–18). Wäre das nicht geschehen, gäbe es keinen Messias und somit auch keine Rettung für die Welt.
Israel hat die Kanaaniter als Nation nie vollständig vertrieben, sondern wurde unter dem Alten Bund immer wieder verleitet, ihren Sünden zu folgen. Dennoch bewahrte Gott in seiner Gnade eine treue Linie in Israel. Aus dieser Linie sandte Gott Jesus, das wahre Israel Gottes. Durch seine Person und sein Werk vertreibt und vernichtet er Sünde und Tod, um uns vor dem Zorn zu bewahren, der vor langer Zeit über die Kanaaniter kam.
Robert Rothwell ist leitender Autor für Ligonier Ministries, Mitherausgeber der Zeitschrift Tabletalk, außerordentlicher Professor am Reformation Bible College und Pastor der Spruce Creek Presbyterian Church in Port Orange, Florida.
© Ligonier Ministries @ Tabletalk Magazine. Die Wiedergabe erfolgte mit freundlicher Genehmigung.

