Herr der Heerscharen

HERR der Heerscharen

Einer der häufigsten Namen Gottes im Alten Testament ist die Bezeichnung Jahwe Zebaoth oder HERR, der Heerscharen, wie es in unseren deutschen Bibelübersetzungen wiedergegeben wird. Diese Kombination aus „Jahwe“, dem Eigennamen Gottes und „Heerscharen“ gibt uns einen tiefen Einblick in das Gottesbild der Bibel. „HERR der Heerscharen“ dient als besonderer Name Gottes und stellt uns Gott als Oberbefehlshaber über eine Heerschar dar, oder wir würden sagen über eine Armee.

Vorkommen von HERR, der Heerscharen

„HERR der Heerscharen“ oder ähnliche Kombinationen wie „Gott, der Heerscharen“ kommen im Alten Testament 285-mal vor. Damit es einer der häufigsten Gottesbezeichnungen im Alten Testament (zum Vergleich: der Name „El Schaddai“ – „Gott, der Allmächtige“, kommt dahingegen nur 48-Mal vor). Interessant ist auch das Vorkommen von „HERR der Heerscharen“. Das erste Mal taucht diese Gottesbezeichnung in 1. Samuel 1,3 auf: „Und dieser Mann [Elkana] ging Jahr für Jahr aus seiner Stadt hinauf, um den HERRN der Heerscharen anzubeten und ihm in Silo zu opfern.“ Im selben Kapitel lesen wir von der ersten Anrufung dieses Namens im Gebet der Hanna: „Und sie legte ein Gelübde ab und sprach: HERR, der Heerscharen! …“ (1Sam 1,11).

Im weiteren Verlauf des Alten Testaments wird dieser Gottesname insbesondere von den Propheten in ihren Predigten verwendet. Der letzte alttestamentliche Prophet Maleachi verwendet diesen Namen in nur drei Kapiteln 24-mal! Interessant ist, dass wir diesen Gottesnamen kein einziges Mal im ersten Hauptteil des Alten Testaments, den 5 Büchern Mose, finden (was, nebenbei bemerkt, stark gegen die bibelkritische Auffassung spricht, die davon ausgeht, dass die 5 Bücher Mose erst sehr spät entstanden sein sollen). Die Patriarchen, Abraham, Isaak und Jakob kannten Gott vor allem als „El Schaddai“, als „Gott, den Allmächtigen“ (vgl. 2Mo 6,3). Die nachfolgenden Generationen, insbesondere die Generationen des Auszugs aus Ägypten und der Landnahme Kanaans würden Gott auf eine weitaus gewaltigere Art und Weise kennenlernen – als Kämpfer und Erlöser seines Volkes.

Die Bedeutung von „HERR der Heerscharen“

Die beste biblische Bedeutung dieses Namens finden wir im Gebet von König Hiskia:

HERR, der Heerscharen, Gott Israels, der du über den Cherubim thronst, du bist es, der da Gott ist, du allein, für alle Königreiche der Erde. Du hast den Himmel und die Erde gemacht (Jes 37,16).

Hiskia betont die allumfassende Herrschaft Gottes, die sich konkret auf drei Bereiche erstreckt: 1.) die himmlischen Heerscharen, 2.) die irdischen Heerscharen und 3.) die unbelebte Schöpfung.

Die himmlischen Heere

Hiskia beginnt sein Gebet, indem er Jahwe als den Gott Israels bezeichnet, „der du über den Cherubim thronst“. Cherubim sind Engelswesen, die in der Antike als Wächter von Heiligen Orten bekannt waren. Damit gibt Hiskia zu verstehen, dass Gott Autorität über die geistliche Welt innehat.

Zur Zeit des Alten Testaments war es bei den Völkern im antiken Orient Konsens, dass es neben der irdischen, sichtbaren Welt eine geistliche, unsichtbare Welt gab: die Sphäre der Götter. In Babylon war man beispielsweise der Ansicht, dass Marduk zum höchsten Gott emporgestiegen war, nachdem er seine göttliche Rivalin Tiamat im Kampf besiegt hatte. Das Alte Testament lehrt eine ähnliche Vorstellung der geistlichen Welt, nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass alle anderen sogenannten „Götter“ und „Mächte“ keine ebenbürtigen Götter für Jahwe sind, sondern (so wird zumindest impliziert) durch ihn geschaffen und ihm unterstellt sind.

In Psalm 82,1 lesen wir beispielsweise: „Gott steht in der Gottesversammlung, inmitten der Götter richtet er.“ In 1. Könige 22,19-20 wird uns ein kleiner Einblick in diesen Götterrat gewährt:

Und Micha sprach: Darum höre das Wort des HERRN! Ich sah den HERRN auf seinem Thron sitzen, und das ganze Heer des Himmels stand um ihn, zu seiner Rechten und zu seiner Linken. Und der HEER sprach: Wer will Ahab betören, dass er hinaufzieht und bei Ramot in Gilead fällt? Und der eine sagte dies, und der andere sagte das.

Kurz vor der zehnten Plage, sagte Gott zu Mose: „Und ich werde in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten erschlagen vom Menschen bis zum Vieh. Auch an allen Göttern Ägyptens werde ich ein Strafgericht vollstrecken, ich, der HERR“ (2Mo 12,12). Der Auszug aus Ägypten war keine rein irdische Angelegenheit, sondern ein kosmischer Kampf!

Kurz vor der Landnahme durch Josua, in der Nacht vor dem ersten Kampf, begegnete Josua, dem Anführer von Israels Armee, ein merkwürdiger, bewaffneter Mann. Josua ging auf ihn zu und fragte ihn, ob er Freund oder Feind sei, woraufhin der Fremde antwortete: „Nein, sondern ich bin der Oberste des Heeres des HERRN; gerade jetzt bin ich gekommen“ (Jos 5,14). Hier begegneten sich sozusagen die Anführer des irdischen und des geistlichen Heeres Gottes und die Tatsache, dass Josua ihm daraufhin huldigt zeigt deutlich, wer über wem steht und wer für den Sieg letztendlich verantwortlich ist. Denn der erste Sieg der Landnahme gegen die Stadt Jericho geht eindeutig auf Gottes übernatürliches Handeln zurück.

Ein weiterer interessanter Einblick in diese geistliche Welt finden wir 2. Könige 6,14-23. Der aramäische König sandte seine Armee nach Dotan und umzingelte sie. Dann lesen wir:

Und als der Diener des Mannes Gottes früh aufstand und hinausging, siehe, da umringte ein Heer die Stadt und Pferde und Kriegswagen. Und sein Diener sagte zu ihm: Ach, mein Herr! Was sollen wir tun? Er aber sagte: Fürchte dich nicht! Denn zahlreicher sind die, die bei uns sind, als die, die bei ihnen sind. Und Elisa betete und sagte: HERR, öffne doch seine Augen, dass er sieht! Da öffnete der HERR die Augen des Dieners, und er sah. Und siehe, der Berg war voll von feurigen Pferden und Kriegswagen um Elisa herum.

HERR, der Heerscharen bezieht sich also einmal auf die Befehlsgewalt der himmlischen oder geistlichen Welt. Doch Hiskias Gebet geht weiter: „… du bist es, der da Gott ist, du allein, für alle Königreiche der Erde.“

Die menschlichen Heerscharen

Im Gegensatz zur Vorstellung der Nachbarvölker betrachtete Israel Jahwe nicht als eine Lokalgottheit. Für sie war Jahwe der Herrscher und König über die ganze Erde.

Zunächst einmal war Jahwe natürlich der Oberbefehlshaber über die Armee Israels. Im Falle eines Krieges, sollte der Priester das Volk mit folgenden Worten ermutigen:

Höre, Israel! Ihr rückt heute zum Kampf gegen eure Feinde heran. Euer Herz verzage nicht, fürchtet euch nicht und ängstigt euch nicht und erschreckt nicht vor ihnen! Denn der HERR, euer Gott, ist es, der mit euch zieht, um für euch mit euren Feinden zu kämpfen, um euch zu retten (5Mo 20,3-4).

Als David dem Philister Goliat gegenübertrat, sagte er ihm: „Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Kurzschwert. Ich aber komme zu dir im Namen des HERRN der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast“ (1Sam 17,45). Als David später König war, lesen wir davon, dass er Gott befragte, bevor er gegen die Nachbarvölker in den Krieg zog (vgl. 2Sam 5,19). Und an vielen Stellen lesen wir davon, dass Israel im Kampf siegreich war, weil Gott mit ihnen war (vgl. Jos 21,44; 2Sam 8,6.14).

Das dieser göttliche Beistand im Kampf kein Automatismus war, macht das Alte Testament nur zu deutlich. Als Israel den Bund mit Gott brach, gebrauchte Gott die Armeen fremder Völker, um sein Volk für seine Untreue zu strafen (vgl. 5Mo 28,49-52 und Jer 21,7). Doch Gott hatte nicht nur in Bezug auf Israel seine Hand im Spiel, sondern bestimmt über das Ergehen aller Nationen (vgl. Jer 27,6-8) – und er tut es bis heute.

Hiskias Gebet an den HERRN, der Heerscharen endet mit folgender Aussage: „Du hast den Himmel und die Erde gemacht.“ Was uns zu einem dritten Herrschaftsbereich Gottes führt.

Sonne, Mond und Sterne

Das dritte „Heer“ über das Gott souverän regiert sind die Gestirne. Am Anfang der Bibel lesen wir nach Abschluss der Schöpfungswoche: „So wurden der Himmel und die Erde und all ihr Heer vollendet“ (1Mo 2,1). Im antiken Kontext des Alten Testaments sah man Sonne, Mond und Sterne als göttliche Wesen an, denen man huldigte. Gott verbot seinem Volk jedoch diese Praxis, da Sonne, Mond und Sterne lediglich ein unbelebter Teil von seiner guten Schöpfung sind. Daher lesen wir in 5. Mose 4,19: „So sollt ihr euch selbst sehr in Acht nehmen … und dass du deine Augen nicht zum Himmel erhebst und, wenn du die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels siehst, du dich verleiten lässt und dich vor ihnen niederwirfst und ihnen dienst, die doch der HERR, dein Gott, allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat!“

Durch den Propheten Jesaja fordert Gott sein Volk auf:

Hebt zur Höhe eure Augen empor und seht: Wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer hervortreten lässt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: Vor ihm, reich an Macht und stark an Kraft fehlt kein Einziger (Jes 40,26).

Die Menschen im antiken Israel mögen sich viele Fragen in Bezug auf Sonne, Mond und Sterne gestellt haben, aber sie mussten sich nicht die Sorgen machen, dass ihnen eines Tages „der Himmel auf den Kopf fällt“, weil sie wussten, dass Jahwe souverän über seiner Schöpfung steht.

Der HERR, der Heerscharen und wir

Zugegeben, wenn ich heute an Gott denke, über ihn spreche oder zu ihm bete, kommt der Name Jahwe Zebaoth kaum vor. Als Gläubige des Neuen Bundes, die wir nach Christus leben, wenden wir uns eher an Gott als unseren himmlischen Vater. Dieses Bild scheint uns vertrauter zu sein als die Vorstellung von Gott als einem Befehlshaber über eine.

Dennoch glaube ich, dass es uns guttut und notwendig ist, sich vor Augen zu halten, dass dieser Gott, der uns Christus als seine Kinder aufgenommen hat und den wir Vater nennen dürfen, gleichzeitig der souveräne HERR der Heerscharen ist.

Mich stimmt es sehr nachdenklich und macht mich traurig, wenn ich mitbekomme, wie Menschen, die sich als Christen bezeichnen, sich beispielsweise von der Corona-Krise so sehr durcheinanderbringen lassen und ihr ganzes Welt- und Menschenbild von modernen „Unheilspropheten“ bestimmen lassen und so reden und handeln, als ob es Gott nicht geben würde oder er unfähig wäre, seine Welt zu regieren. Gerade in solchen Situationen sollten wir auf Gottes Wort hören, wo es heißt: „So spricht der HERR der Heerscharen: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen. Sie täuschen euch, die Vision ihres Herzens reden sie, nichts aber aus dem Mund es HERRN“ (Jer 23,17).

Aussagen wie aus Jesaja 40,26, „er, der ihr Heer [der Sterne] hervortreten lässt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: Vor ihm, reich an Macht und stark an Kraft fehlt kein Einziger“ sollten in uns die Gewissheit stärken, dass unser Planet nicht so bedroht ist, wie es unsere Gesellschaft momentan befürchtet, sondern dass der HERR der Heerscharen seine Schöpfung erhält und auch menschliches Versagen seine Pläne nicht durchkreuzen kann.

Wir täten gut daran, lange und gründlich über die Worte des Psalmisten aus Psalm 84 nachzudenken, bis wir sie aus ganzem Herzen selbst beten können. Der Psalmist weiß um die Größe und Macht und Majestät Gottes und kann trotzdem schreiben: „Auch der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für sich, wo sie ihre Jungen hingelegt hat – deine Altäre, HERR der Heerscharen, mein König und mein Gott! … HERR der Heerscharen! Glücklich ist der Mensch, der auf dich vertraut!“ (Ps 84,4.13).

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