Archäologie
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Wie hilft dir die Archäologie bei deinem Bibelstudium?

Vor ungefähr fünfzig Jahren nahm ich an meiner ersten Ausgrabung im modernen Israel teil. Die Ausgrabungsstätte war Tell Qasile, eine alte Philisterstadt inmitten der geschäftigen Metropole Tel Aviv.

In meinem Grabungsgebiet entdeckten wir zwei Säulenbasen, die die ersten Anzeichen eines heute berühmten Philistertempels waren. Die beiden Säulen standen ehemals in der Haupthalle des prächtigen Baus, etwa zehn Fuß voneinander entfernt und trugen zwei massive Holzbalken, auf denen das zweite Stockwerk und das Dach des Tempels ruhte. Das Ausgrabungsteam wird wohl niemals vergessen, wie Ami Mazar, der Chefarchäologe, rief: „Ihr habt soeben den Philistertempel entdeckt!“ In dem Augenblick war ich vom Archäologie-Fieber gepackt.

Aber warum war diese Entdeckung so bedeutend? Ein Grund ist, dass sie uns hilft, die Geschichte von Simsons Tod zu begreifen. Nachdem die Philister Simson gefangengenommen hatten, führten sie ihn im Dagon-Tempel in Gaza vor (vgl. Ri 16,23). Die Philister verhöhnten Simson und stellten ihn zwischen die beiden Grundpfeiler des Tempels (vgl. V.25). Simson aber stemmte sich mit ganzer Kraft gegen die Pfeiler, sodass das gesamte Gebäude in sich zusammenfiel und wohl die meisten der Anwesenden unter sich begrub.

Die archäologischen Funde des Tempels in Tell Qasile helfen uns zu verstehen, dass die in der Bibel geschilderten Ereignisse tatsächlich in Raum und Zeit stattgefunden haben – das heißt, diese Ereignisse hatten sich in der Geschichte abgespielt. Die Archäologie kann uns über viele Aspekte des täglichen Lebens aufklären; zum Beispiel darüber, wie die Menschen im Altertum lebten. Sie zeigt, dass ein Bezug besteht, zwischen den in der Heiligen Schrift geschilderten Ereignissen und unserer Erde, auf der wir heute leben.

Rabab in Jericho

Ein weiteres hilfreiches Beispiel finden wir in Josua 2,15. Dort lesen wir von der Prostituierten Rahab, und finden die interessante Aussage: „Rahab wohnte in einem Haus, das Teil der Stadtmauer war. So ließ sie die Männer an einem Seil aus dem Fenster die Mauer hinunter“ (NGÜ).

Der Aufbau einer Stadtmauer variierte je nach Epoche. Zu der Zeit, als Rahab lebte, also in der späten Bronzezeit, hatten viele kanaanitische Städte dicke äußere Befestigungsmauern. Durch Ausgrabungen wissen wir allerdings, dass einige der Städte ein sogenanntes „Kasematten-Außenwandsystem“ besaßen. Es bestand aus zwei parallel zueinanderstehenden senkrechten Mauern, in deren Zwischenräume Menschen ihre Häuser bauten. In Zeiten der Belagerung oder während eines Krieges wurden diese doppelten Außenmauern mit Geröll aufgefüllt, wodurch die äußere Mauer stärker und dicker wurde. Daher konnte Rahab tatsächlich „in der Mauer“ von Jericho leben, so wie es im hebräischen Original von Josua 2,15 heißt.

In der Geschichte von Rahab wird außerdem beschrieben, dass sie die beiden hebräischen Spione auf dem Dach ihres Hauses unter Flachsstängeln versteckte. Uns sagt das heute nicht viel, aber Archäologen haben viele Häuser aus dieser Epoche entdeckt, die Außentreppen aufwiesen, die aufs Dach hinaufführten. Wie heute in zahlreichen Dörfern Israels diente auch damals das Dach zum Trocknen von Lebensmitteln. Die Flachsstängel auf Rahabs Dach waren daher etwas völlig Normales und erregten keinen Verdacht. Es war also ein idealer Ort, um die beiden israelitischen Spione zu verstecken.

Die Bedeutung der archäologischen Forschung liegt darin, dass sie sich mit der physischen Natur der Dinge befasst und ihre Funde deshalb auf den realen Dingen (realia) der biblischen Zeit beruhen. Wir leben heute allerdings in einer Zeit, in der Geschichte oftmals als etwas Unwichtiges angesehen wird, als bedeutungslos. Viele glauben, die Vergangenheit habe nur wenig mit unserem modernen Leben zu tun. Dadurch wird das moderne Denken unhistorisch. Wissenschaftler argumentieren häufig, dass die Geschichte keine absolute Wahrheit und keine verbindliche Realität widerspiegle. Daher glauben heute viele Menschen, man könne die Geschichte einfach umschreiben, damit sie den eigenen Vorstellungen und Zielen entspricht.

Die Archäologie ist dabei wie ein Schwert im Kampf gegen diese neue Art der Geschichtsvergessenheit. Denn die Archäologie zeigt deutlich auf, dass die Bibel sehr wohl mit dieser Welt verbunden ist, dass die geschilderten Ereignisse in Zeit und Raum geschehen sind. Die Geschichte ist eine Säule des christlichen Denkens. Gott ist der Herr der Geschichte. Er hat die Geschichte erschaffen, und die Zeit bewegt sich chronologisch von der Schöpfung bis zur Vollendung. Die Abfolge von Schöpfung – Fall – Erlösung – Verherrlichung hat sowohl eine theologische als auch eine historische Dimension.

„Pop“-Archäologie

Das bewährte archäologische Bibelstudium hilft uns auch, informiert, belesen und im Verständnis der Heiligen Schrift reifer zu werden. Sie bewahrt uns davor, Bewegungen wie der „Pop“-Archäologie zum Opfer zu fallen, die mit Ankündigungen angeblicher Entdeckungen, wie der Bundeslade (an der noch Blut kleben soll), ägyptischer Wagenräder im Roten Meer, der Arche oder den Steintafeln der Zehn Gebote in der Presse viel Aufmerksamkeit erhält. Solche spektakulären Funde haben eine lange Tradition in der Kirche.

Konstantins Mutter Helena erklärte im frühen 4. Jahrhundert, dass sie das „echte Kreuz“ Jesu in Jerusalem entdeckt habe; viele andere haben im Laufe der Kirchengeschichte die gleiche Behauptung aufgestellt. Johannes Calvin hatte eine deutliche Meinung bezüglich derartiger Entdeckungen:

Zu seiner Zeit waren so viele Teilstücke des wahren Kreuzes unter den christlichen Kirchen verstreut, dass sie ein großes Schiff beladen konnten. Während das ursprüngliche Kreuz von einem Mann getragen werden konnte, waren dreihundert Männer nötig, um das Gewicht der vorhandenen Teile zu tragen.

Die meisten der spektakulären Entdeckungen der „Pop“-Archäologen sind entlarvt worden, und deshalb muss die Gemeinde Jesu darüber aufgeklärt werden, damit sie nicht auf archäologische Scharlatane hereinfällt.

Denn Fakt ist, dass wir nicht auf derartige spektakuläre Funde angewiesen sind. Die klassische archäologische Forschung hat uns bereits viele wichtige Funde geliefert, die uns helfen, die Bibel zu verstehen. Viele dieser Entdeckungen sind allerdings sowohl in der Gemeinde Jesu als auch in der Gesellschaft eher unbekannt. Ich möchte auf zwei neuere Funde eingehen, die unser Verständnis der Heiligen Schrift wirklich erhellen werden und die dazu beitragen, die Bibel in ihrem richtigen historischen Kontext zu verstehen:

Der Elfenbeinkamm aus Lachisch

Im Jahr 2016 entdeckten Ausgräber an der biblischen Stätte von Lachisch in den Ausläufern Israels einen Elfenbeinkamm mit einer Inschrift. Das Elfenbein des Kamms stammt von einem Elefanten. In der Antike war dies ein sehr wertvolles Stück, da es zu dieser Zeit dort keine Elefanten gab. Vermutlich war der Kamm aus Ägypten importiert worden, wo solche Kämme weit verbreitet waren. Die eine Seite diente zum Lösen von Haarknoten, die andere zum Entfernen von Kopfläusen und Nissen.

Archäologen konnten durch mikroskopische Tests den Zweck des Kammes feststellen, da sich auf dem Kamm selbst noch Überreste von Kopfläusen fanden. Auch die eingravierte Inschrift gibt Aufschluss über den Verwendungszweck. Die Inschrift – bestehend aus sieben Wörtern, bzw. siebzehn Buchstaben – ist in Kanaanäisch verfasst und lautet: „Möge dieser Stoßzahn die Läuse im Haar und Bart ausrotten.“

Die Archäologen aus Lachisch datierten den Elfenbeinkamm und die Inschrift auf die mittlere Bronzezeit, also auf die Zeit zwischen 1700 und 1550 v. Chr. Dieses Datum liegt einige Jahrhunderte vor der Landnahme Israels in Kanaan. Die Datierung ist wichtig, da bis zur Entdeckung des Kamms keine kanaanitische oder hebräische Inschrift im Land gefunden wurde, die vor dem 13. Jahrhundert v.Chr. datiert werden konnte. Diese Inschrift ist also einige hundert Jahre älter als alle bisher gefundenen Schriften in Kanaan.

Warum ist ein beschrifteter Elfenbeinkamm ein solch wichtiger Fund? Es wird oft argumentiert, dass Mose den Pentateuch nicht im zweiten Jahrtausend v. Chr. geschrieben haben könne, weil die hebräische Sprache zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert habe. Hebräisch und Kanaanäisch sind sich jedoch sehr ähnlich.

Als ich die Inschrift auf dem Elfenbeinkamm aus Lachisch übersetzte, konnte ich es sofort lesen, weil ein Großteil des kanaanäischen Vokabulars mit dem Hebräischen identisch ist. Folglich gab es im Land Kanaan, mindestens drei Jahrhunderte bevor Mose den Pentateuch verfasste, eine Schrift, die Moses Hebräisch sehr ähnlich war.

Königliche Inschriften von König Hiskia

Im Jahr 2007 entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen im Bereich eines Beckens in der Nähe der Gihon-Quelle in Jerusalem eine Kalksteintafel aus dem 8. Jahrhundert v.Chr. Es handelt sich um eine handtellergroße Tafel (13,5 x 9,6 cm), die zwei Zeilen in paläohebräischen Buchstaben, bzw. althebräischer Schrift enthält.

Die Inschrift wurde erst kürzlich übersetzt, da einige der hebräischen Buchstaben unleserlich sind. Die Übersetzer glauben, dass die erste Zeile den Namen des judäischen Königs Hiskia enthält und das ein Wort in der zweiten Zeile „Teich“ bedeutet. Ein Übersetzer glaubt sogar, dass die ganze Inschrift lautet: „Hiskia machte den Teich in Jerusalem.“ Bezüglich dieser Inschrift ist noch einiges unklar, aber sie erinnert an 2. Könige 20,20, wo es heißt: „Und die übrige Geschichte Hiskias und all seine Machttaten und wie er den Teich und die Wasserleitung gemacht und das Wasser in die Stadt geleitet hat, ist das nicht geschrieben im Buch der Geschichte der Könige von Juda?“

Möglicherweise war der Hiskia-Stein Teil einer monumentalen Inschrift, die sich an der Außenseite eines öffentlichen Gebäudes neben dem Teich von Gihon befunden hat. Sollte das der Fall sein, wäre dies die erste königliche Inschrift eines judäischen Königs, die bisher entdeckt wurde.

Der Körper des Mose

Als ich mich gerade in der Vorbereitung auf meine Doktorarbeit in Archäologie befand, kam mein Doktorvater zu mir und berichtete mir von einem Förderer, der bereit sei, unsere Arbeit zu unterstützen. Er wolle eine Expedition nach Moab finanzieren, damit wir die Gebeine von Mose finden. Nach Ansicht des Förderers war Mose dort begraben worden, bevor die Israeliten in das Land der Verheißung zogen. Mein Doktorvater sagte mir, dass ich diese Expedition leiten solle, da ich eine hohe Meinung von der Bibel habe. Ich lehnte das Angebot ab, mit der Begründung, dass 5. Mose 34,5-6 sagt:

„Und Mose, der Knecht des HERRN, starb dort im Land Moab nach dem Wort des HERRN. Und er [Gott] begrub ihn im Tal, im Land Moab, Bet-Peor gegenüber; und niemand kennt sein Grab bis auf diesen Tag.“

Wenn schon die Israeliten nicht wussten, wo Mose begraben lag, dann hatte ich überhaupt keine Chance, sein Grab zu finden.

Fakt ist, dass wir nicht auf spektakuläre Funde zurückgreifen müssen. Wir können uns auf die bewährte Arbeit von Archäologen verlassen. Indem sie Ruinen und Funde ausgraben, tragen sie wirklich dazu bei, die historische Zuverlässigkeit der Bibel zu bestätigen.


Dr. John D. Currid ist Professor für Altes Testament am Reformed Theological Seminary in Dallas und Ältester in der Presbyterian Church of America.

© Ligonier @ Tabletalk Magazine. Die Übersetzung und Wiedergabe erfolgte mit freundlicher Genehmigung.

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