Warum ich immer noch Jesus nachfolge – 4 Dinge, die meine Eltern richtig gemacht haben
Jesus nachfolgen. Warum mache ich das immer noch?
Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Warum bin ich heute mit fast vierzig Jahren immer noch überzeugter Christ, gehe gerne in die Gemeinde und das, obwohl ich als Pastorensohn in einem konservativ-christlichen Umfeld aufgewachsen bin?
Vielleicht bist du jetzt stutzig geworden und meinst, ich habe mich vertippt. Habe ich nicht. Ich weiß, dass viele Menschen folgende Gleichung aufstellen: Du kommst aus einem christlichen Elternhaus und dein Vater ist sogar Pastor – es überrascht mich überhaupt nicht, dass du heute noch am christlichen Glauben festhältst und gerne zur Gemeinde gehst. Schließlich kennst du nichts anderes.
Menschen, die so denken, haben oftmals keine realistische Vorstellung davon, wie es für mich war, als Pastorensohn in einem christlich-konservativen Umfeld aufzuwachsen. Hier ein Einblick:
Meine Eltern gründeten Anfang der 90er Jahre eine Gemeinde. Wir lebten als sechsköpfige Familie von einem sehr mickrigen Pastorengehalt. Die Väter meiner Freunde hatten „richtige“ Jobs und verdienten entsprechend und konnten sich schicke Klamotten und Spielzeug leisten, was bei uns einfach nicht drin war.
Nahezu alle meine Freunde waren keine Christen, und auch wenn es durchaus gute Kameradschaft gab, so war ich doch immer der „Pastorensohn“ – also irgendwie anders, irgendwie ein bisschen merkwürdig, weil ich an bestimmte Dinge glaubte, bzw. nicht glaubte und meine Eltern nicht alles erlaubten, was ihre Eltern ihnen erlaubten.
Da meine Eltern damals dabei waren, eine neue Gemeinde zu gründen, hatte ich lange Zeit keine christlichen Freunde, die mich im Glauben ermutigt hätten. Gute geistliche Freundschaften mit reifen Christen aus derselben Altersgruppe kamen erst viel später.
Gemeindegründung ist auch nichts für Weicheier. Sicherlich war damals auch nicht alles schlecht und meine Eltern mögen eine andere Sichtweise über die Zeit haben, aber ich erinnere mich immer noch lebhaft an Situationen, in denen ich meinen Vater niedergeschlagen und müde erlebte, weil die Gemeinde(-mitglieder) ihn viel Kraft kosteten. Ich wurde oft von Leuten gefragt: „Und, willst du auch einmal Pastor werden?“ Ich weiß nicht mehr, ob man es mir äußerlich angesehen hat, aber zumindest innerlich bin ich oft zusammengeschreckt und hätte am liebsten geschrien: „Auf gar keinen Fall!“
Ich bleibe also bei meiner Formulierung: Warum bin ich heute immer noch dabei, obwohl der christliche Glaube mich so oft zum Außenseiter gemacht hat und die Ortsgemeinde so anstrengend war?
Für mich liegt die Antwort auf der Hand: Es war der authentisch gelebte Glaube meiner Eltern, den Gott gebraucht hat, um mich (und meine drei Geschwister) davon zu überzeugen, dass Jesus es wert ist, ihm in der Ortsgemeinde nachzufolgen – trotz all der negativen Erfahrungen.
Damit mich niemand missversteht, sei hier noch kurz erwähnt, dass der christliche Glaube mich natürlich auch intellektuell überzeugt hat und nach meinem Standpunkt, die besten Antworten darauf gibt, warum die Welt und wir Menschen so sind wie wir sind.
Doch wie hat mich der Glaube meiner Eltern konkret geprägt? Ich denke hier an vier Dinge.
1. Wir durften den Glauben hinterfragen
Ich kann mich rückblickend an keinen Moment erinnern, in dem ich die Existenz Gottes komplett angezweifelt hätte. Doch es gab viele Fragen und Zweifel.
- Warum glauben wir an einen Schöpfergott, statt an eine materialistische Evolution, wie es in der Schule gelehrt wurde?
- Warum ist die Bibel Gottes unfehlbares Wort, wenn der Religionslehrer das anders sah?
- Warum sollten wir mit Sex bis zur Ehe warten, wenn das außer uns Christen nahezu niemand für vernünftig, logisch oder überhaupt umsetzbar hielt?
Es war nicht so, dass meine Eltern immer sofort auf alles eine hilfreiche Antwort hatten. Aber schon allein die Tatsache, dass es nicht tabu war, Fragen über die Bibel oder den christlichen Lebenswandel zu stellen, war enorm hilfreich. Ich wurde nicht dafür verurteilt, wenn ich Zweifel hatte oder Dinge anders sah.
Leider weiß ich heute, dass eine solche offene Gesprächskultur, wie sie bei uns zu Hause herrschte, in christlich-konservativen Kreisen keine Selbstverständlichkeit ist. Das ist sehr bedauerlich. Denn die Generation meiner Kinder braucht diese Offenheit noch viel nötiger, weil unsere Gesellschaft noch weiter vom christlichen Glauben entfernt ist, als diese noch vor dreißig Jahren der Fall war.
2. Keine falsche Scheu vor der „Welt“
Wie bereits oben erwähnt, haben meine Eltern viele Dinge anders gesehen als die Eltern meiner ungläubigen Freunde. Es gab vieles, was wir nicht durften, doch der Punkt war, dass meine Eltern sich die Mühe machten, uns genau zu erklären, warum eine Sache in ihren Augen nicht gut war.
Wer in den 90er aufwuchs kam mit ziemlicher Sicherheit mit der Jugendzeitschrift BRAVO in Berührung. Ich weiß noch, wie die Friseurin meiner Mutter, mit deren Sohn ich in eine Klasse ging, wie selbstverständlich davon ausging, dass auch ich die BRAVO las. Weder meine Mutter noch ich kommentierten das. Aber ich wusste, dass meine Eltern dieses Jugendmagazin alles andere als „bravo“ fanden, weil die Zeitschrift eine antibiblische Sexualethik propagierte – von den Nacktdarstellungen mal ganz abgesehen.
Meine Eltern waren jedoch nicht naiv. Sie rechneten damit, dass ich die BRAVO heimlich bei Freunden las. Und das tat ich auch! Doch ich werde nie den Tag vergessen, an dem mein Vater meine Schwester und mich – die wir damals zur Zielgruppe gehörten – beiseite nahm und eine BRAVO hervorholte.
Ich war schockiert!
Dann ging mein Vater gemeinsam mit uns die Zeitschrift durch und erklärte, dass sie nichts gegen Infos aus der Musikszene, gegen Schminktipps und dergleichen hätten – aber bei der sexuellen Aufklärung zogen meine Eltern klare Grenzen, und sie hatten vollkommen recht.
Zugegeben, diese Lektion hat mich nicht davor bewahrt, die BRAVO, oder später den Playboy zu lesen – die sündige Natur bringt es nun mal mit sich, dass Kinder Regeln brechen – aber ich wusste genau, warum eine Sache nicht in Ordnung war. Gerade dieses Wissen gebrauchte der Heilige Geist immer wieder, um mich zur Umkehr zu führen.
Auch in anderen Bereichen, die mit christlichen Lehren oder Werten in Konflikt gerieten, waren meine Eltern relativ entspannt und vertrauten auf das stetige Wirken des Heiligen Geistes, anstatt eine falsche Furcht vor „der Welt“ zu schüren (siehe dazu auch den hilfreichen Artikel: Der Christ und die Welt – 4 Dinge, die jeder Christ wissen sollte)
Als Junge gab es es nichts Cooleres, als sich mit toten Tieren zu beschäftigen: damit meine ich natürlich ausgestorbene Tiere, sprich: Dinosaurier. Obwohl meine Eltern eine klassische Junge-Erde-Position vertraten, die im krassen Gegensatz zur darwinistischen Evolutionstheorie steht, gingen sie trotzdem mit uns ins Museum, damit wir Dino-Skelette sehen konnten und kauften mir einen Haufen Bücher über Dinosaurier, obwohl darin die Evolutionstheorie gelehrt wurde. Ganz nach dem Motto: Prüfet alles, das Gute behaltet. Heute finde ich Dinosaurier immer noch cool und ich bin trotz all der Bücher und Dokus nicht zum Atheisten geworden.
Die Art und Weise, wie meine Eltern mit Büchern, Musik und Filmen umgingen, die eben nicht explizit unmoralisch oder antichristlich waren, sondern nur einen anderen Standpunkt vertraten, half mir dabei, Dinge nicht von vornherein zu verteufeln, sondern Dinge sorgfältig zu prüfen. Das ist eine Haltung, von der ich heute immer noch sehr profitiere und die mir in der Jesus Nachfolge eine wirkliche Hilfe ist.
3. Meine Eltern konnten um Verzeihung bitten
Meine Eltern waren wirklich gute Eltern, aber sie waren natürlich nicht unfehlbar. Und das bekamen wir als Kinder zu spüren, und zwar nicht nur in ihrem Versagen, sondern auch in der Art und Weise, wie sie damit umgingen. Mein Vater war für mich nie der unfehlbare Pastor, sondern ein Papa, der mich auch mal zu Unrecht beschuldigte oder der in seinem berechtigten Urteil zu zornig war. Doch wenn, dann konnte er dies auch zugeben. Wir erlebten einen Vater, der in der Lage war, seine Kinder, seine Frau und seine Gemeinde um Vergebung zu bitten. Das hat mich tief beeindruckt. Heute würde ich sagen, dass der Charakter meines Vaters mich mehr geprägt und beeindruckt hat als seine Predigten.
4. Meine Eltern haben gebetet
Der vierte und letzte Punkt, den ich dafür verantwortlich mache, dass ich heute dem Glauben nicht den Rücken gekehrt habe, ist die Tatsache, dass meine Eltern gebetet haben – und zwar mit uns Kindern in der Abendandacht, aber auch für uns Kinder und zu zweit als Ehepaar. Ich würde meine Eltern nicht als „Gebetshelden“ bezeichnen, aber dennoch gehörte für sie das Gebet zu einem wesentlichen Aspekt unseres Lebens. Ich wusste, dass meine Eltern sich in schwierigen Situationen im Gebet an Gott wandten, ob ich sie nun dabei beobachtete oder nicht. Es war eine natürliche Reaktion, und mehr als einmal hat meine Mutter mich „zum Beten geschickt“, wenn ich selbst nicht mehr weiter wusste.
Ein Zeugnis der Gnade Gottes
Rückblickend sehe ich hinter alledem Gottes Kraft und seine Gnade, durch die er mich nicht nur errettet, sondern im Glauben bewahrt hat und auch bis zum Ende bewahren wird (vgl. 1Petr 1,5; Joh 10,27-29). Er hat das Zeugnis, die Gebete, die Weisheit und auch die Fehler meiner Eltern gebraucht, um mich zu sich zu ziehen.
Das Zeugnis meiner Eltern macht mir noch heute Mut und sollte dich auch ermutigen. Wir mögen als Eltern, Großeltern, Freunde, Pastoren oder Gemeindemitarbeiter nicht auf alles eine Antwort haben. Wir machen Fehler und versündigen uns. Doch was unsere Generation dringend braucht, sind Christen, die im Alltag Jesus nachfolgen, die zuhören, anstatt vorschnell zu verurteilen, die Verständnis für Zweifel und Anfechtungen haben und die bestrebt sind, Lösungen zu finden. Christen, die offen und ehrlich mit ihren Fehlern und Schwachheiten umgehen und nach Heiligung streben. Folgen wir mutig Jesus nach und vertrauen wir darauf, dass Gottes Geist unseren Lebenswandel gebraucht, um in vielen anderen Menschen den Wunsch zu wecken, Jesus nachzufolgen.