Weisheit

Gottes Weisheit und weltliche Experten

In dieser Corona-Krise werden wir von vielen Menschen informiert und beraten, die als Experten gelten. Was sollen wir von ihrem Rat halten?

Zunächst sollen wir realisieren, dass wir immer wieder von Experten beraten werden. Unsere Bank schickt einen Infobrief mit Rat für allerlei finanzielle Angelegenheiten. Handwerker beraten uns bei Reparaturen am Haus, Auto oder Haushaltsgerät. Der Gärtner im Baumarkt oder ein sachkundiger Nachbar gibt Tipps für gesündere Pflanzen. Der Arzt erteilt Rat für die Behandlung und unseren Lebensstil. Und dazu noch der Lieblingsberater: das Internet, das permanent mit reichhaltigen Informationen und Ratschlägen zugänglich ist.

Die meisten dieser Ratgeber sind wahrscheinlich nicht nur ungläubig, sondern ihr Rat bezieht sich auch so gut wie gar nicht auf Gott oder die Bibel. Was sollen wir als Christen darüber denken? Wann ist säkularer Rat gut? Eine mögliche Antwort höre ich oft: Die Schrift ist für Glaubensfragen zentral und wichtig, aber in manchen Bereichen ist ein gesunder Menschenverstand ebenso nötig.

Das ist eine schlechte Antwort!

Überlege, was sie sagt: „Ich brauche Gottes Gedanken, aber ebenso meine (gesunden!) Gedanken.“ Unterschwellig impliziert sie, dass Gottes Wort für den „frommen“ Teil des Lebens zuständig ist, mein Menschenverstand aber für den Rest des Lebens. Das öffnet natürlich Tür und Tor für allerlei menschliches Denken, das in Gottes Sicht überhaupt nicht „gesund“ ist. Nun, ich weiß, was meine Geschwister mit „gesundem Menschenverstand“ meinen und meistens sind ihre damit verbundenen Ratschläge auch richtig, aber die Begründung stimmt nicht. Ich möchte eine bessere vorschlagen: Wir brauchen nicht „einen gesunden Menschenverstand“ (wenn es den überhaupt gibt), sondern biblische Weisheit. Sie ist unsere Richtlinie! Biblische Weisheit umfasst nämlich alles, nicht nur die Frömmigkeit. Salomos Sprüche, zum Beispiel, geben Rat für das ganze Leben.

Nun – was ist biblische Weisheit? Oft stellen wir uns Weisheit so vor: Weisheit ist Einsicht in die innere Welt eines Menschen; sie beinhaltet auch eine problemlösende Art mit Spannungen und Konflikten umzugehen und versteht sogar Gottes Rolle dabei. Wer weise ist, kann für schwierige innere Lebensprobleme treffenden Rat geben. Der Rat eines Gärtners, Handwerkers oder gar Finanzberaters ist an und für sich gut, aber „Weisheit“ verbinden wir mit dem inneren Leben.

Das ist jedoch interessanterweise nicht das biblische Verständnis von Weisheit.

Wie Gott „Weisheit“ versteht, schließt das Können und Geschick von allerlei Experten ein. Seine Vorstellung ist viel breiter als unsere. Sid Buzzell schreibt dazu im Walvoord Bibelkommentar:

Von den verschiedenen Worten für Weisheit und den verwendeten Synonymen, die in den Sprüchen gebraucht werden, ist der vorrangige und am häufigsten gebrauchte Begriff hokmah. Er steht in den Sprüchen 45-mal. Im AT wird kokmah für das Können eines Handwerkers, eines Seemannes, eines Sängers, eines Trauernden, eines Verwalters und eines Ratgebers gebraucht. Diese und andere Arbeiter, die das entsprechende Wissen und die Erfahrung besaßen und sich auf ihrem Fachgebiet auskannten, wurden als geschickte Leute betrachtet; sie waren daher „weise“.

Dieses Verständnis von „Weisheit“ ist nicht nur in Sprüche zu finden, sondern in der ganzen Bibel. Als Gott z.B. den Bau der Stiftshütte anordnete, wollte er, dass das Ergebnis ausgezeichnet sein sollte, wie es für den König aller Könige passte. Darum begabte er Bezalel und Oholiab, damit sie die Arbeit perfekt machen konnten: „Ich habe alle kunstbegabten Handwerker befähigt, alles herzustellen, was ich angeordnet habe“ (2Mo 31,6). Hier wird zwar der Text sinngemäß richtig übersetzt, aber eine wichtige Nuance geht verloren.

Was in den meisten Übersetzungen und im Hebräischen steht, ist: „Ich habe allen, die ein weises Herz haben, die Weisheit ins Herz gegeben.“ „Allen, die ein weises Herz haben“, bedeutet im Kontext „alle kunstbegabten Handwerker“. Die „Weisheit ins Herz geben“ bedeutet, dass Gott sie handwerklich befähigt hat. Später befiehlt er allen anderen Sachverständigen mitzuhelfen (vgl. 2Mo 35,10). Diese Sachverständigen nennt er: alle, die ein weises Herz haben unter euch. Manche Übersetzungen versuchen der Nuance der handwerklichen Weisheit gerecht zu werden: „kunstfertig“, „kundig“ oder „verständig“. Es ist der gleiche Begriff: hokmah.

Wer hat die feine Leinwand in blauem, violettem und rotem Purpur gesponnen? Die „Frauen, die weisen Herzens waren“ (2Mo 35,25). Auch die Männer haben Bezalel und Oholiab auf ihre Art geholfen, nämlich diejenigen, die „weisen Herzens waren, denen der HERR Weisheit und Verstand gegeben hatte, zu wissen, wie sie allerlei Werke machen sollten“ (2Mo 36,1). So auch 400 Jahre später beim Tempelbau: Salomo hatte „weise“ Steinmetze, Maurer und Zimmerleute (vgl. 1Chr 22,15) und trotzdem bat er Hiram, den (ungläubigen!) König von Tyrus, ihm einen „weisen“ Mann zu schicken, „der mit Gold, Silber, Kupfer, Eisen, rotem Purpur, Scharlach und blauem Purpur arbeiten kann und der Bildwerk zu schnitzen versteht“ (2Chr 2,7). Wir würden sagen: „Dieser Mann war sehr begabt“; Gott sagt: „Er war weise.“

Weisheit ist in jedem Lebensbereich entscheidend

Geschick oder Können wird nicht nur bei „frommer“ Arbeit „Weisheit“ genannt. Der erfolgreiche Krieger gewinnt den Kampf durch Weisheit (vgl. Spr 20,18; Spr 24,6). Der Kaufmann erzielt Gewinn durch Weisheit, auch wenn sein böses Herz sich dabei überhebt! „Durch deine große Weisheit bei deinem Handel hast du deinen Reichtum vermehrt, dein Herz aber ist hochmütig geworden“ (Hes 28,5).

Die Aussagen decken sich mit unserer Erfahrung: Jemand kann in einem Lebensbereich sehr geschickt, aber in wichtigen Angelegenheiten völlig blind sein. Im biblischen Sprachgebrauch ist er in dem einen Bereich „weise“; im anderen jedoch töricht. Selbst einen Götzenschnitzer, wenn er kompetent ist, nennt die Bibel „weise“ (vgl. Jes 40,20), obwohl alle Götzenmacher Toren sind (vgl. Jes 44,9-20).

Das bedeutet, dass ich für meinen Garten unbedingt den Gärtner im Baumarkt um Rat fragen soll; nicht, weil der „gesunde Menschenverstand“ mich dazu anleitet, sondern weil Gott sagt, dass ein geschickter Gärtner in gärtnerischen Angelegenheiten der Weise ist. Ich soll auf ihn hören und nicht in meinen eigenen Augen weise sein! Ebenso, wer in seinen Finanzen weise sein will, soll den Rat eines weisen bzw. eines geschickten Finanzberaters suchen. Wie mit den bösen aber weisen Kaufleuten in Tyrus ist es zunächst nicht so wichtig, ob er gläubig ist. Wichtig ist – biblisch gesehen! – die fachliche Kompetenz.

Sehen wir die Relevanz für Corona?

Die Krise hat viele Aspekte. Wenn es um Gottes Absicht mit der Krankheit geht, dann sind bewährte, scharfsinnige Christen die Weisheit. Wenn es um die wirtschaftlichen Konsequenzen geht, soll man die geschicktesten Wirtschaftswissenschaftler um Rat fragen; sie sind die „Weisen“. Wenn es um die medizinischen Aspekte geht, dann haben Spezialisten in Virologie und Epidemiologie die von Gott gegebene Weisheit. Wer von uns weise ist, wird in jedem Fach auf die Weisen hören; wer töricht ist, wird meinen, dass er es besser weiß!

Können die sogenannten Alternativen Medien „Propheten“ sein?

Der letzte Abschnitt gab uns die Grundlage für eine christliche Sicht von weltlichen Experten. Aber wie sollen wir die alternativen Medien verstehen? Es kam in der Geschichte bereits mehrmals vor, dass der wahrhaft Weise wie ein „Rufer in der Wüste“ war. Könnte das auch hier der Fall sein? Denn manche Mediziner sind gegenüber den Maßnahmen der Regierung sehr kritisch. Würde Gott uns grundsätzlich empfehlen, den alternativen Medien zu vertrauen? Oder eher dem Konsens (angenommen, es gibt ihn) der Experten?

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, denn es kommt ganz auf die Kompetenz der Fachleute an. Um auf dieses Thema einzugehen, muss ich zuerst erklären, wie Gott uns seine Wahrheit offenbart, nämlich auf zwei Weisen: in der besonderen Offenbarung (in der Bibel) und in der allgemeinen Offenbarung (in der Schöpfung). Beide müssen wir jedoch sorgfältig und richtig auslegen. Fangen wir bei der besonderen Offenbarung an.

Gottes Offenbarung in der Bibel erfordert sorgfältige Auslegung

Wir wissen, wie leicht es ist, die Bibel falsch auszulegen. Man kann Verse aus dem Kontext reißen, die Logik des Texts (die in Worten wie „denn“, „weil“, „um“ usw. erscheint) missverstehen oder einen Text so auslegen, dass er einem anderen widerspricht. Man kann etwas, das in einem Text sehr oft wiederholt wird, trotzdem übersehen oder missachten. Man kann auch das große Bild der biblischen Theologie grundsätzlich missverstehen und darum verpassen, was ein Text eindeutig sagt. Ein gutes Beispiel des letzten Fehlers betrifft konservative Rabbis, die (sehr!) sorgfältig mit dem alttestamentlichen Text als Gottes Wort umgehen. Aber wenn sie von vornherein „wissen“, dass Jesus nicht der Messias sein kann, werden sie jeden Text, der auf ihn hinweist, falsch verstehen. Und da er Mittelpunkt der Schrift ist, „liegt eine Decke auf ihrem Herzen, so oft Mose gelesen wird“ (2Kor 3,15). Zeugen Jehovas, Mormonen und andere Sekten haben zwar (unter anderem) die gleiche Bibel wie wir, missverstehen sie aber grundsätzlich. Denn um Gottes besondere Offenbarung richtig zu verstehen, müssen wir seine Gedanken ihm nachdenken – d.h. die Schrift so verstehen, wie Gott sie gemeint hat, sowohl im Großen Bild der biblischen Theologie als auch im Detailbild des jeweiligen Texts.

Wie gut, dass der Herr uns nicht im Ungewissen lässt; er hat uns alle Regeln der schriftlichen Kommunikation (wie Kontext, innere Logik, Wiederholung und ähnliches) gegeben. Wer sorgfältig mit der Bibel umgeht – wie mit jedem anderen Text – wird erkennen können, was Gott darin sagt. Die Botschaft des Wortes Gottes ist nicht dunkel, verborgen und geheimnisvoll. Vielmehr, wie Jesus sagt, hat Gott „öffentlich zu der Welt geredet [und] im Verborgenen nichts geredet“ (Joh 18,20).

Darum hat John Piper das Buch von Mortimer Adler für ein besseres Verständnis der Bibel empfohlen („Wie man ein Buch liest“, das er vor seiner Bekehrung schrieb), denn „Adler [gibt] den Rahmen der Methodik, um das Gelesene verstehen zu können“ (was auch für die Bibel gilt). Ähnlich sagt R.C. Sproul, dass die Bibel wörtlich auszulegen unter anderem bedeutet, sie wie jedes andere Buch zu lesen, nach den gewöhnlichen Regeln der Sprache. Es ist eigentlich nicht schwer, die Bibel auszulegen, aber sie muss, wie jeder Text, sorgfältig und fachgerecht (weise!) ausgelegt werden. Darum achten wir auf die innere Logik des Texts; wir hören genau hin, was der göttliche Autor uns sagen möchte. Das Ziel ist seine Gedanken zu verstehen und sie ihm dann nachzudenken.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus unserem Buch Gott in der Krise? Bewährte Wahrheiten sind coronatauglich von Brad Beevers. Sie können das Buch für nur 6,90€ (zzgl. Versand) bei uns bestellen.

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