Wie kann ein liebender Gott Menschen in die Hölle schicken

Wie kann ein liebender Gott Menschen in die Hölle schicken?

Wie kann ein liebender Gott Menschen in die Hölle schicken? Kaum eine andere Frage wird so kontrovers diskutiert wie die biblische Lehre von der Hölle. Erst vor kurzem schrieb mich eine ernste Christin an, die zugab, mit dieser Frage große Schwierigkeiten zu haben. „Wie kann ein liebender Gott, eine solch grausame, brutale Hölle erschaffen?“, fragte sie.

Ich vermute mal, dass viele Christen sich diese oder vergleichbare Fragen stellen, sich aber scheuen, den Dingen auf den Grund zu gehen, weil es nun mal ein Thema ist, mit dem man sich nicht gerne beschäftigt. Doch es ist nie hilfreich, Glaubenszweifel oder schwierige Bibelstellen zu ignorieren, denn irgendwann muss man sich auch diesen harten Fragen des Glaubens stellen, wenn man seinen Glauben authentisch leben will (ein Umstand übrigens, der auf jedes Glaubenssystem oder Lehrgebäude zutrifft). Ich war daher froh, dass diese Leserin so ehrlich mit sich selbst war.

Denn ich kann nicht behaupten, dass ich mir diese oder vergleichbare Fragen nie gestellt hätte. Ich denke jeder Christ, der von der Realität der Hölle überzeugt ist, hat diesbezüglich schon einige unruhige Momente erlebt – insbesondere dann, wenn er an Freunde oder Verwandte dachte, die bereits im offenkundigen Unglauben gestorben sind! Das sind Fragen, die auch mich persönlich bewegen.

Wie gehen wir also mit diesem Thema um?

Biblische Aussagen über die Hölle

Wie immer ist es wichtig, genau hinzuschauen, was die Bibel sagt und was sie nicht sagt. Wenn es um die Hölle geht, müssen wir zunächst festhalten, dass von der Hölle als einem realen Ort gesprochen wird, der im scharfen Kontrast zu den Segnungen des Himmelreichs gezeichnet wird. Hier einige Beispiele:

„Und viele von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden aufwachen; die einen zu ewigem Leben und die anderen zur Schande, zu ewigem Abscheu“ (Dan 12,2).

„Wenn aber dein rechtes Auge dir Anstoß zur Sünde gibt, so reiß es aus und wirf es von dir! Denn es ist dir besser, dass eins deiner Glieder umkommt und nicht dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird“ (Mt 5,29).

„Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als auch Leib zu verderben vermag in der Hölle!“ (Mt 10,28).

„Dann wird er auch zu denen zur Linken sagen: Geht von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! … Und diese werden hingehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber in das ewige Leben“ (Mt 25,41.46).

„Aber den Feigen und Ungläubigen und mit Gräueln Befleckten und Mördern und Unzüchtigen und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern ist ihr Teil in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der zweite Tod“ (Offb 21,8).

Es ist meines Erachtens unmöglich, die Bibeltexte bezüglich der Hölle in irgendeiner Weise zu relativieren, weil sie in der Summe ein zu eindeutiges Bild ergeben, zumal Jesus mehr als jeder andere in der Bibel von der Hölle geredet und vor ihr gewarnt hat. Wenn wir den biblischen Aussagen gerecht werden wollen, müssen wir ehrlicherweise die Lehre der Allversöhnung – also der Vorstellung, dass irgendwann doch alle gerettet werden – ablehnen, auch wenn sie uns emotional attraktiv erscheint (und da nehme ich mich nicht von aus).

Einige Christen favorisieren die Lehre der „Auflösung“ (Anhiliationismus), nach der die Seelen in der Hölle irgendwann vernichtet werden und die Höllenstrafe demnach nicht unendlich ist. Matthäus 10,28 (siehe oben) und andere Aussagen mögen diese Ansicht stützen, andere Bibelstellen scheinen diese Möglichkeit auszuschließen, wie etwa Matthäus 25,46 (siehe oben) – insbesondere, wenn wir den Kontrast zwischen dem ewigen Leben und der ewigen Strafe betrachten. Insgesamt betrachtet scheint mir das biblische Zeugnis eher gegen die Lehre des Anhiliationsimus zu sprechen als dafür. Aber in diesem Fall würde ich mich gerne irren.

Ein verzerrtes Bild von der Hölle

Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass viele Menschen ein verzerrtes Bild von der Hölle haben, das der Bibel ebenfalls nicht gerecht wird. Eine Aussage wie: „Wie kann ein liebender Gott, eine solch grausame, brutale Hölle erschaffen?“, würde ich darunter zählen.

Wenn ich den Satz jetzt nur einmal für sich nehme, würde ich von folgenden Denkweisen ausgehen:

  1. Gott ist ein Gott der Liebe; Gott kann gar nicht anders als zu lieben; Liebe ist das, was Gott definiert, was ihn ausmacht
  2. Die Hölle ist ein grausamer, brutaler Ort, wo unschuldige Menschen für alle Ewigkeit über die Maßen gequält werden.

Womöglich deckt sich diese Darstellung nicht mit deiner Sichtweise, aber meines Erachtens fasst es das zusammen, was viele Menschen (und auch viele Christen) über Gott und die Hölle glauben.

Das Problem ist nur, dass beide Ansichten dem biblischen Bild nicht gerecht werden.

Wenn es um das Wesen Gottes geht, spricht die Bibel natürlich viel über die Liebe Gottes und sagt auch direkt, dass Gott Liebe ist (vgl. 1. Johannes 4,8 und 16). Dennoch reduziert die Bibel niemals Gott nur auf seine Liebe, so als wäre es seine einzige Eigenschaft. So lehrt die Bibel auch, dass Gott heilig ist (vgl. 1. Petrus 1,16) und noch vieles weitere mehr.

Für diese Diskussion ist vermutlich die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes entscheidend, weil wir meistens bewusst oder unbewusst davon ausgehen, dass die Hölle „ungerecht“ ist.

In seinem Klassiker Gott erkennen, zeigt uns J.I. Packer zwei wichtige biblische Grundprinzipien auf, wenn es um Gott als Richter geht:

Gott ist ein gerechter Richter

„Zum Ersten hat Gottes Zorn in der Bibel immer einen rechtlichen Aspekt – das heißt, es ist der Zorn des Richters, der Recht spricht. Grausamkeit ist stets unmoralisch, aber die explizite Voraussetzung bei allem was wir in der Bibel über die Qualen derer finden, die den vollen Zorn Gottes erleben, ist, dass jeder genau das empfängt, was er verdient hat.“[1]

Packer führt dann Römer 2,5-6 und Lukas 12,47-48 an, wo wir lesen, dass Gottes Gericht gerecht ist. Nach der Bibel ist die Hölle zweifellos ein schrecklicher Ort, aber sie ist kein grausamer, brutaler Ort, weil Grausamkeit und Brutalität ihrem Wesen nach unmoralisch sind – und das ist Gott nicht. Gott ist kein Sadist. Er sagt in seinem Wort ausdrücklich, dass er kein Gefallen am Tod des Gottlosen hat (vgl. Hes 18,32).

Vielleicht hilft hier eine Illustration. Die Hölle wird manchmal als eine Art ewiges Konzentrationslager angesehen. Die Konzentrationslager der Nazis waren grausam und brutal, weil dort Menschen gequält wurden und umkamen, die diese Behandlung in keiner Weise verdient hatten. Das ist aber kein treffendes Bild für die biblische Lehre von der Hölle.

Die Hölle ist eher mit einer Wüste vergleichbar, die ich trotz aller Warnungen und wider besseren Wissens bereise und schließlich in ihr umkomme. Die Wüste ist schrecklich, aber nicht grausam. Anders gesagt: Ich ernte, was ich selbst gesät habe. Das ist ein zweiter wichtiger Punkt, wenn es um die Hölle geht.

Der Mensch erntet, was er sät

Es ist bedeutsam, dass kurz nach dem berühmten Vers aus Johannes 3,16 (Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat) in den Versen 19-20 Folgendes gesagt wird:

„So vollzieht sich das Gericht an den Menschen. Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, weil ihr Tun böse war. Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht; er tritt nicht ins Licht, damit sein Tun nicht aufgedeckt wird. Wer sich jedoch bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, der tritt ins Licht, und es wird offenbar, dass sein Tun in Gott gegründet ist.“

Mit anderen Worten: Der Mensch entscheidet, ob er lieber in der Finsternis (der Gottesferne) leben möchte, oder ob er sich von dem Licht leiten lässt, das Gott ihm schenkt.

Packer schreibt dazu:

„Das ausschlaggebende Gerichtsurteil über die Verlorenen ist das Urteil, das sie über sich selbst fällen, indem sie das Licht verwerfen, das in und durch Jesus Christus zu ihnen kommt. Letzten Endes tut Gott in seinem Gerichtsverfahren gegenüber den Ungläubigen nichts anderes, als ihm die Konsequenzen seiner getroffenen Entscheidung vor Augen zu führen.“[2]

In Römer 1 sagt der Apostel sinngemäß, dass Gott seinen Zorn nicht dadurch sichtbar werden lässt, dass er Feuer und Schwefel vom Himmel regnen lässt (obwohl Paulus als Kenner des Alten Testaments sicherlich das Beispiel von Sodom und Gomorra kannte), sondern dass er dem Menschen seinen (gottlosen) Willen lässt, an dem der Mensch sich selbst zugrunde richtet.

Daher ist es gut möglich, dass die Menschen in der Hölle nicht in einem realen Feuersee physische Schmerzen erleiden, sondern vielmehr sich selbst überlassen bleiben – als Geschöpfe, die eigentlich für Gott geschaffen wurden und nur in ihm wirkliche Zufriedenheit finden könnten, diese aber niemals finden werden. Macht das die Hölle weniger schrecklich? Ich denke nicht. Ich wünsche niemandem dieses Schicksal.

Dennoch kann ich eine solche Vorstellung von der Hölle leichter annehmen und verstandesmäßig einordnen als die mittelalterlichen Vorstellungen von einer dämonischen Folterkammer, die keine biblische Grundlage haben.

Hören wir noch einmal Packer dazu:

„Dies sind aber keine willkürlichen Torturen. Sie entsprechen vielmehr dem willentlichen Hineinwachsen in einen Zustand, den man selbst gewählt hat. Der Ungläubige hat sich freiwillig dafür entschieden, sein Leben ohne Gott zu führen, sich Gott zu widersetzen, in Feindschaft gegen Gott zu leben – und er wird seinen Willen bekommen. Niemand steht unter dem Zorn Gottes, es sei denn, er hat dies selbst so gewollt. Wenn Gott seinen Zorn ausführt, dann nur deshalb, weil er den Menschen das gibt, wofür sie sich entschieden haben, mit allen Konsequenzen – nicht mehr und nicht weniger. Gottes Bereitschaft, die menschliche Entscheidung in diesem Umfang zu respektieren, mag befremdlich, ja sogar entsetzlich erscheinen, aber es ist offensichtlich, dass sein Verhalten hier vollkommen gerecht ist – und sich grundsätzlich von der willkürlichen und skrupellosen Quälerei unterscheidet, die wir unter Grausamkeit verstehen.“[3]

Damit mögen nicht alle Fragen beantwortet sein, insbesondere nicht, wenn es um das ewige Schicksal von lieben ungläubigen Freunden und Familienmitgliedern geht. Doch am Ende des Tages komme ich immer wieder zu folgendem Gedanken zurück: Gott hat keinen Gefallen am Tod des Gottlosen, und er ist gerecht. Daher muss ich mir keine Sorgen darüber machen, dass er jemanden ungerecht behandeln wird.

Das ist für mich eine tröstliche und beruhigende Erkenntnis.


[1] J.I. Packer, Gott erkennen, Herold-Verlag, Leun, 2021, S.181.

[2] Ebd. S. 182-183.

[3] Ebd., S. 183-184.

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