Feindesliebe

Warum sollen wir unsere Feinde lieben?

„Liebt eure Feinde, und tut Gutes, und leiht, ohne etwas wieder zu erhoffen! Und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid nun barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,35-36)

Die beiden fett gedruckten Satzteile weisen uns auf eine tiefe Wahrheit des christlichen Lebens hin: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ impliziert deutlich, dass Jesus seine Jünger als Kinder Gottes betrachtet. Gott ist ihr Vater. Sie sind seine Kinder. Daher sollten sie barmherzig sein, weil sie einen barmherzigen Vater haben.

Aber was ist mit den Worten: „Liebt eure Feinde … und ihr werdet Söhne des Höchsten sein“? Das klingt, als wäre die Feindesliebe die Bedingung der Gotteskindschaft und nicht ihr Resultat. Es ist, als ob Jesus einerseits sagt: „Liebt eure Feinde, weil das dem Wesen eures Vaters entspricht“ und anderseits: „Liebt eure Feinde, damit Gott euer Vater wird.“

Ein ähnliches Problem finden wir in Johannes 15,8. Dort steht: „Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet.“ Jesus sagt das, obwohl Er gerade eben noch deutlich sagte, dass Er der Weinstock ist und sie seine Reben sind (vgl. Joh 15,5), und Er dann auch hinzufügt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“ (vgl. Joh 15,3). Jesus sagt hier also ganz klar, dass wir nicht erst dann seine Jünger werden, wenn wir anfangen Früchte zu bringen, sondern, dass wir durch das Früchtebringen das ausleben, was wir bereits sind – seine Jünger! Durch unser Handeln wird offenbar, was durch Gottes Berufung und unseren Glauben bereits geschehen ist.

Ich bin davon überzeugt, dass Jesus genau das auch in der oben genannten Stelle meint, wenn Er sagt: „Liebt eure Feinde … und ihr werdet Söhne des Höchsten sein.“ Denn wenn du dich auf diese Weise verhältst, beweist du damit, dass Gottes Geist in dir am Wirken ist. Dieses Verhalten entspricht dem Wesen des himmlischen Vaters – deines Vaters! Also zeigst du, dass du durch Gott von neuem geboren bist; du erweist dich als Sein Kind. Noch einmal: Was du durch deine Berufung und Adoption bist (vgl. Lk 6,36), ist die Grundlage dessen, was du tun wirst und was durch dein Tun von deinem Wesen sichtbar wird (vgl. Lk 6,35) – in dem Fall, ein Mensch, der seine Feinde liebt, wie Gott es tut.

Was ist aber, wenn wir unsere Feinde nicht lieben? Dafür gibt es eine sehr einfache Erklärung. In diesem Fall beweisen wir, dass nicht „Kinder des Höchsten“ sind. Und das ist eine sehr ernste Sache. Jesus rechnet mit der realen Möglichkeit, dass einige, die sein Gebot – „Liebe deine Feinde“ – hören, nicht danach handeln werden, wodurch sie dem Mann gleichen, der sein Haus auf Sand baute und alles in der Flut des Gerichts verlor (vgl. Lk 6,49).

Das bedeutet aber nicht, dass die Feindesliebe uns zu Gottes Kindern macht. Äußere oder charakterliche Ähnlichkeit zu unseren leiblichen Vätern zu haben, ist nicht der Faktor, der uns zu ihren Kindern macht, vielmehr sind dies Beweise dafür, dass wir ihre Kinder sind. Dasselbe Prinzip gilt auch hinsichtlich der Feindesliebe; sie bewirkt nicht, dass wir Kinder Gottes sind, vielmehr ist sie dass Wesensmerkmal der Menschen, die aus Gott geboren sind. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!

Lasst uns also Kinder Gottes sein. Wie das? Erstens, indem wir Gott als unserem Vater vertrauen – wir vertrauen darauf, dass Er sich um uns kümmert, wenn wir das Risiko eingehen, die zu lieben, die uns hassen; „Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6,8). Und zweitens, indem wir unsere Feinde mit Barmherzigkeit lieben, wie auch unser Vater barmherzig ist.

© Desiringgod.org. Die Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

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