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Beschäftigen wir uns zu sehr mit Dämonen?

In den letzten Jahren scheint das Interesse an Satan und an seinem Wirken wieder deutlich zu wachsen. Hollywood hat eine ganze Flut an Filmen geliefert, die dieses Interesse bedienen und noch verstärken. In manchen christlichen Kreisen erfreuen sich sogenannte „Befreiungsdienste“ neuer Beliebtheit. Einige dieser Dienste vermitteln eine sehr bizarre und absolut unbiblische Sicht von dämonischer Aktivität, von Besessenheit und Dämonenaustreibung. 

So wird mitunter gelehrt, dass bestimmte Dämonen bestimmte Sünden verursachen würden. Es gäbe zum Beispiel einen „Dämon des Alkohols“, einen „Dämon der Depression“, einen „Dämon des Tabaks“, usw.. Andere wiederum behaupten, dass die Austreibung eines Dämon aus einer menschlichen Seele durch ein offenkundiges Zeichen – wie einer Befreiung aus einer Gebundenheit – erkennbar wäre. Ich habe mir Predigten sehr bekannter Befreiungsprediger angehört, in denen sie bestimmte Zeichen nennen, die eine Dämonenaustreibung begleiten. Ein Seufzen zum Beispiel deute darauf hin, dass ein „Dämon des Tabaks“ ausgefahren ist. Da der „Tabak-Dämon“ mit dem Inhalieren des Rauches in die Seele des Menschen einträte, würde er ihn auch mit einem hörbaren Ausatmen wieder verlassen. In ähnlicher Weise könne Erbrechen ein Zeichen dafür sein, dass der „Dämon des Alkohols“ ausgefahren sei. So gibt es, laut dieser Sicht, jede nur denkbare Sünde (und für angebliche Sünden) einen Dämon. Allerdings muss nicht nur jeder dieser Dämonen ausgetrieben werden, nein, es gilt auch notwendige Vorkehrungen zu treffen, um eine etwaige Rückkehr zu verhindern. 

Leider fällt mir keine höfliche Art und Weise ein, um auf diese Art von Lehre zu reagieren, als sie einen totalen Unfug zu nennen! Nirgendwo in der Heiligen Schrift kann auch nur der kleinste Hinweis auf diese Art dämonischer Diagnose gefunden werden. Diese Lehren überschreiten die Grenze zu Magie und Esoterik und führen bei Gläubigen, die sich davon täuschen lassen, zu ernsthaften Schäden. Traurigerweise führt eine zu intensive Beschäftigung mit Satan und Dämonen dazu, dass wir uns weniger auf Christus konzentrieren. Das gefällt Satan ganz bestimmt, aber Gott gefällt dies mit Sicherheit nicht.

Die Schrift lehrt, dass Satan uns unterdrücken, angreifen, versuchen, verleumden und beschuldigen kann. Aber ein Christ, in dem der Heilige Geist wohnt, kann nicht von einem Dämon besessen sein. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.Korinther 3,17). Wenn eine Person, in der der Heilige Geist wohnt, zur selben Zeit von einem bösen Geist beherrscht und kontrolliert werden könnte, dann wäre unsere Erlösung bedeutungslos. 

All diese Konzentration auf Satan und das Wirken von Dämonen lenkt uns zudem von einer anderen realen Bedrohung ab – wie die unserer eigenen Sünde. Ja, es gibt den Teufel. Und ja, es gibt echte Dämonen. Aber es gibt auch die Realität der Sünde. Satan mag uns zur Sünde verleiten, aber wir können unsere Schuld und die Verantwortung für unsere Sünde nicht auf ihn oder auf einen uns kontrollierenden Dämonen schieben. Wir müssen nicht erst von einem Dämonen besessen sein, um uns betrinken zu können. In uns steckt noch ausreichend Böses, das uns von ganz alleine dazu befähigt. Wir können daher niemals sagen: „Der Teufel hat mich dazu gezwungen!“ Wir können von ihm versucht, angestiftet oder verführt werden, aber wir werden von ihm weder kontrolliert noch zu etwas gezwungen.

Es gibt zwei sehr ernst zu nehmende Probleme mit dieser Sichtweise: Erstens schieben wir die Verantwortung für unsere Sünde von uns selbst weg. Denn wie könnten wir verantwortlich sein, wenn wir tatsächlich unfähig wären zu widerstehen? Zweitens: Wir werden zu dem Denken verleitet, dass wir ohne die Hilfe eines Befreiungspredigers völlig machtlos wären. Das gesamte biblische Konzept der Heiligung wird bei dieser Sichtweise geleugnet. Es ist ohne Zweifel unbiblisch zu behaupten, dass wir unfähig wären ein gottgefälliges Leben zu führen, solange wir nicht einen „Befreiungsexperten“ auf unserer Seite hätten, der für uns einsteht. Dieses Amt und diese Aufgabe stehen allein Christus, dem großen Erlöser zu. Aus diesem Grund sage ich mit aller Entschlossenheit, dass Gläubige sich von Menschen abwenden müssen, die etwas Derartiges lehren. Ja mehr noch: Sie sollten um ihr (geistliches) Leben laufen!

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R.C. Sproul

R. C. Sproul war der Gründer von Ligonier Ministries sowie Pastor in Florida. Er hat über hundert Bücher verfasst. Sein bekanntestes Buch ist Die Heiligkeit Gottes.

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